August 2022, Autor: Joachim
Fahrt nach Bosnien-Herzegowina (BiH) und erste Eindrücke
Der August als Reisemonat steht schon lange fest, nur wissen wir bis Ende Juni nicht ob unser Sprinter rechtzeitig kommt. Endlich am 4.7.2022, nach einem Jahr Wartezeit, steht er vor uns in der Auslieferzone von Hymer in Bad Waldsee. Der Balkan kann kommen.
Bis zur Abfahrt gilt es unseren Sprinter für die erste längere Fahrt noch einzurichten und all die Utensilien unterzubringen die wir die Monate davor gekauft haben. Das macht richtig Spaß und steigert die Vorfreude.
Ende Juli geht es dann los. Nach einem Abstecher bei einem langjährigen Freund in Kitzbühel, geht es am nächsten Morgen im strömenden Regen weiter Richtung Südost. Auf der Autobahn geht es zügig voran, hinter den Alpen lässt der Regen nach und am Nachmittag erreichen wir die Grenze zu BiH. Es scheint die Sonne und es ist richtig warm. Wir haben uns für einen kleineren Grenzübergang entschieden und warten in der Schlange rund 45 Minuten, bis wir dann eingereist sind. Noch ein paar Kilometer und wir erreichen unseren ersten Campingplatz in Bosanska Krupa, direkt am Fluss Una. Auf die Una werden wir während der ganzen Reise immer wieder treffen.
Am folgenden Tag nehmen wir die Mountainbikes und fahren ins Hinterland. Da in dieser Gegend während des Jugoslawienkriegs in den 1990er Jahren gekämpft wurde, sehen wir kleine Soldatenfriedhöfe, oft direkt in den Gärten der Wohnhäuser. Auch großräumig eingezäunte Areale neben der Straße in denen noch Minen liegen. Beim durchradeln der Dörfer sehen wir Kriegsversehrte Männer. Der Krieg und seine Auswirkungen wird uns die gesamte Reise begleiten.
Was auch auffällt, sind die vielen Autos mit allen erdenklichen europäischen Kennzeichen. Vor allem aber aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das sind alles Heimreisende in den Sommerferien, auf Verwandtenbesuch. Wir werden so häufig gefragt: „Wo wohnen denn eure Verwandten?“. Wenn wir erwidern, dass wir hier keine Verwandten haben, sondern Ihr Land besuchen wollen, gibt es immer ein großes Hallo. Immer wieder begegnen wir heimgekehrte Bosnier und Herzegowiener, die uns auf Deutsch, Französisch oder Englisch ansprechen. Sie haben den Krieg in verschiedenen europäischen Ländern verbracht, dort die Sprache gelernt. Schon komisch, wenn man in einem kleinen Supermarkt in sehr ländlichem Raum auf Deutsch mit Schweizer Akzent begrüßt wird.
Jajce und die arabischen Touristen
Unser nächstes Ziel ist die Stadt Jajce, mit einem wild gemischten Stilmix in der Altstadt. Wehrtürme aus der Zeit der Türken, dazwischen sozialistische Architektur und um die Altstadt herum die Supermärkte des 21. Jahrhunderts. Gefällig ist Jajce aber vor allem aufgrund des Flusses Pliva, der hier gestaut wird und im Altertum Getreidemühlen angetrieben hat. Auffällig ist eine Touristengruppe, bei denen die Frauen schwarzen Tschador und Hijab tragen. Anke kommt mit ihnen ins Gespräch und wir erfahren, dass sie aus Katar stammen und hier Urlaub machen. Bosnien hat sich als moslemisch geprägtes Land auf diese Art Tourismus eingestellt und wir treffen im Verlauf der Reise noch öfter Kataris, aber auch Familien aus dem Oman.
Sarajevo, Lukomir und Mostar
Auf dem Weg nach Sarajevo machen wir einen Schlenker in die Berge und finden kurz unterhalb der Passhöhe eine große Wiese auf der wir den Sprinter abstellen. Und weil es so schön ist, bleiben wir auch über Nacht. Die Wanderung auf einen der umgebenden Gipfel hat es in sich. Steil bergauf ohne einen wirklichen Wanderweg. Am Gipfel findet sich im Boden ein komischer nicht natürlicher Graben – ein Schützengraben an strategischer Stellen. Und wieder holt uns der Jugoslawienkrieg ein.
Das erste große Ziel der Reise ist erreicht. Sarajevo. Der kleine Campingplatz weit oberhalb der Stadt hat einen Stellplatz für uns, klug war vorab anzurufen. Es ist richtig warm und wir vertrödeln den Nachmittag. Sind dann beim nächtlichen Blick auf Sarajevo überrascht wie dunkel die Stadt ist. Am nächsten Morgen zu Fuß steil den Berg hinab und rein in die Altstadt. Das flanieren durch die Gässchen mit ihren auf die Touristen aus alles Herren Länder abgestimmten Souvenirs macht Spaß. Wir setzten uns, bestellen Chai und Baklava und schauen dem bunten Treiben zu. Schnell bekommen wir Kontakt zu einer Familie, die aus Österreich auf Heimaturlaub ist. Mutter in Hijab und langem Mantel und einem Dialekt aus der Steiermark, dass wir kaum mitkommen! Hier sind wir im Orient angekommen. Die Neustadt ist auch attraktiv, einfach den Einwohner bei ihrem täglichen Leben zu zuschauen. Alles recht entspannt. Auch weil es um die Mittagzeit einfach zu heiß ist für große Aktivitäten.
Wir nehmen von daher wieder einen Abstecher in die Berge, genauer nach Lukomir, dort sollte es wieder angenehme Temperaturen haben. Für unseren ULG, und für uns, kommt jetzt die erste richtig schwierige Gebirgspiste. Der 4×4 fährt wie ein schweizer Uhrwerk. Wir sind begeistert wie leicht er auch über die steilsten Stücke fährt. In Lukomir können wir uns auf die Wiese hinter einem Restaurant für die Nacht stellen und gehen von daher bei den Eigentümern zum Abendessen. Hier verständigen wir uns auf Französch, diese Familie war während des Krieges in der französischen Schweiz untergekommen. Am Abend dann ein besonderes Spektakel, hunderte Schafe werden in verschiedenen Gruppen zurück ins Dorf getrieben, um hier die Nacht sicher zu verbringen.
Die Stadt Mostar ist unser nächstes Ziel. Die Besichtigung muss allerdings warten, da ein schweres Gewitter aufzieht und wir eine Stunde im Sprinter abwarten, zum Glück hagelt es nicht. Die Stadt ist voll mit Touristen aus ganz Europa, West wie Ost und aus Arabien. Hier stehen tief verschleierte Frauen aus Katar neben Touristinnen in Hotpants und kurzen Sommerkleidchen. Alle schieben sich über die Brücke und jeder schaut hin und wieder nach, ob die Jungs nun tatsächlich vom Scheitelpunkt der Brücke in die Neretva springen. Tun sie ganz selten, aber die Show drum herum ist schon gut.
Am nächsten Morgen besichtigen wir das im Umland von Mostar liegende Sufi Koster bei Blagaj. Es liegt malerisch unterhalb einer steilen Bergflanke an deren Grund ein Fluss entspringt. Das Kloster ist klein und fein. Ein Wohnbereich, eine Moschee, ein Hammam und eine Bibliothek. Im Klostergarten genießen wir wieder einen Tee und zuckersüßes Baklava.
Jetzt aber wieder in die Berge. Auf dem Weg zum Nationalpark Sutjeska fängt es an zu regen und der bleibt uns auch erhalten als leichter Nieselregen. Obwohl Hochsaison ist, sind außer uns kaum andere Reisende hier. So können wir ein im sozialistischen Stil gebautes Kriegerdenkmal alleine besichtigen. Gebaut für eine Schlacht aus dem zweiten Weltkrieg in dem Tito der deutschen Wehrmacht entkommen konnte.
Aus der geplanten Mountainbike-Tour wird es nichts. Die Berge sind wolkenverhangen und von daher macht es keinen Sinn, also weiter und ab ans Meer. Davor müssen wir allerdings noch die Grenze nach Montenegro überschreiten, was gut eine Stunde dauert.
Den Bericht aus Montenegro könnt ihr in der eigene Rubrik Montenegro finden.
Von Montenegro zurück nach Bosnien-Herzegowina (BiH)
Aus Montenegro kommend fahren wir mehr oder weniger parallel zur Grenze zu Kroatien nach Norden. Langsam schließt sich der Kreis und wir fahren am Fluss Una entlang in den gleichnamigen Nationalpark. Die Fahrt ist allerdings bedrückend. Links und rechts der Straßen stehen hunderte verlassener Häuser. Ganze Dörfer verfallen. Ein paar Kilometer dann ein anderes Bild. Schmuck herausgeputzte Dörfer mit Leben. Der Jugoslawienkrieg ist hier sehr sichtbar. Ein Blick in die Geschichte zeigt allerdings, dass auch während des zweiten Weltkriegs in dieser Gegend, die Bosnier, die Kroaten, die Serben, in unterschiedlicher Konstellation miteinander und gegeneinander gekämpft haben. Wir fragen uns ob die Wunden langsam verheilen oder ob unter der Oberfläche noch nichts vergeben und verziehen ist. Was in dieser Gegend sehr auffällt sind die neuen Gotteshäuser. Seien es serbisch orthodoxe Kirchen, Moscheen oder katholische Kirchen.
Im Una Nationalpark radeln wir am Fluss Una entlang bis wir zu den Wasserfällen kommen. Nicht ganz so weiträumig und spektakulär wie die nur wenige Kilometer entfernten Fälle von Plitvic in Kroatien. In der Hochsaison aber sehr angenehm, nicht mit tausenden von Besuchern die Natur zu erleben, oder erleben zu wollen.
Wir reisen über Bihac aus, und sind wieder in der EU. Durchqueren das herrliche Velebit Gebirge und suchen uns einen Campingplatz an der kroatischen Küste. Im August keine einfache Angelegenheit, da wir noch ein paar Tage bleiben wollen. Nach langem Hin und Her passt es und die Adria an diesem Küstenabschnitt ist herrlich. Zu unserem Leidwesen dreht das Wetter komplett und am Morgen stürmt und regnet es. Auch der Wetterbericht verheißt keine Besserung. Nun denn, wir machen uns auf den Heimweg.
Viel Neues gesehen, tolle Landschaften durchfahren, nette Menschen getroffen und die ersten fünf Wochen mit dem ULG haben super geklappt. Wir freuen uns auf die nächste Reise.