Georgien 2024

Georgien 2024

Datum: Juni/Juli 2024

Autoren: Anke und Joachim

Die Anreise

Am Sonntag 19. Mai ist es dann soweit. Alles Nötige und Unnötige ist im ULG verstaut. Sollte etwas fehlen, kaufen wir das dann eben unterwegs. Unser Haus ist auch soweit fertig gemacht, der Plan Wer, Wann, Was, Wie, für uns erledigt, steht auch. Und dann starten wir den Motor und fahren den Blumenhauweg entlang, prüfen noch mal: Reisepässe, Führerscheine, Kreditkarten und Bargeld. Alles da und los geht es.

Für diese Reise fühlt sich der Abschied von Zuhause anders an, im Vergleich zu früheren Reisen. Wir lassen unser bisheriges Leben, das von der kurz- und langfristigen Struktur unserer Arbeit abhing, hinter uns. Gar keine beruflichen Termine mehr. Mit dieser Reise beginnt ein neuer Abschnitt in unserem Leben. Wir sind gespannt und hängen diesem Gedanken, für den wir in den vielen Wochen zuvor zu wenig Zeit und Muße hatten, auf der Autobahn Richtung Osten nach. Das sonore Brummen eines Mercedes Diesel bildet dafür die beste Hintergrundmusik. So geht es dahin und am Abend finden wir einen netten Platz und parken den ULG an einem kleinen Fluss irgendwo in Österreich.

Der von Joachim optimierten Anreiseroute folgend, ist uns erstes Ziel die Grenze zu Slowenien und zwar weit im Osten des Landes. Auf dieser Route fällt keine Maut für unseren mit 4,1 Tonnen zugelassenen Sprinter an. Die Sonne scheint und so schlängeln wir uns auf größeren und kleineren Straßen zur Grenze nach Kroatien durch. Bevor es morgen auf die Autobahn geht, hat Anke im Vorfeld ein herrschaftliches Hotel mit großem Parkplatz ausfindig gemacht. Hier können wir über Nacht parken und das Abendessen im Restaurant schmeckt prima.

Der Weg nach Südosten durch Kroatien verläuft komplett auf der Autobahn. Die Landschaft die an uns vorbeizieht hält wenig Abwechslung bereit. Nervig ist der schlechte Fahrbahnbelag auf der rechten Spur den die vielen LKW einfach kaputtfahren. Die Grenze zu Serbien bei Lipovac ist dann auch recht zügig erreicht. Wir sind gespannt wie lange wir wohl an der Grenze brauchen werden. Nach unglaublich kurzen acht Minuten sind wir aus der EU ausgereist und in Serbien eingereist. Das war zügig. Und zu unserer riesengroßen Freude funktioniert die im Vorfeld von Anke auf dem Mobiltelefon eingerichtete eSim, und zwar kurz nach Grenze schon. Heißt für uns problemloses Internet auch auf der weiteren Reise. Nördlich von Belgrad steuern wir einen Campingplatz oberhalb der Donau an. Um uns herum sind schwarze Gewitterwolken aufgezogen. Es blitzt heftig in der Ferne. Wir haben Glück und wir bekommen nichts ab. Belgrad wäre sicherlich einen Tagesausflug wert, aber wir wollen ja weiter und so sind wir dann am nächsten Tag wieder auf der Autobahn. Die Gewitter von gestern bauen sich auch heute wieder auf. Wir fahren etliche Kilometer durch heftigen Regen. Die Fahrbahn ist gut in Schuss und wir kommen gut voran. Weit im Süden von Serbien auf der Höhe des Kosovo können wir in den Dörfern von der Autobahn aus die Minarette der Moscheen sehen. Wir erinnern uns an unsere Balkanreise und ganz besonders an die Kriegsfolgen in diesem Landstrich, die wir 2022 zu Gesicht bekamen.

Auch der Grenzübertritt nach Nordmazedonien geht ruck-zuck. Gleich hinter der Grenze geht es in die Berge. Wir verlassen die doch langweilige Ebene der letzten beiden Tage. Die tadellose Autobahn schlängelt sich im weiteren Verlauf an einem Fluss entlang und gegen Nachmittag erreichen wir unser Tagesziel. Ein Weingut auf dessen Parkplatz wir den ULG für die Nacht abstellen können. Bei einer Tasse Tee mit Blick über die Weinberge geht unser Blick weit in die Gebirgslandschaft hinein. Wir sind uns sicher, dass wir nach Nordmazedonien nochmal reisen werden. Zum Abendessen im Restaurant des Weinguts probieren zweierlei der autochthonen Weinsorten. Der Rosé-Wein war lecker, der Weißwein auch gut, aber mit einem ungewöhnlichen Geschmack.

Da wir jetzt doch wirklich viel gefahren sind und uns der Sinn nicht wie ursprünglich angedacht nach Stadtbesichtigung von Thessaloniki steht, sondern eher nach Strand, fahren wir noch 40 Kilometer weiter südlich auf die griechische Halbinsel Chalkidiki und bleiben für zwei Tage auf einem schönen Urlaubercampingplatz, mit all den Annehmlichkeiten eines 5 Sterne Platzes. Hier bietet es sich an eine Schleife mit den Rädern am Meer entlang zu radeln. Wir machen dazu noch ein Abstecher in den Nachbarort. Dort kaufen wir Fisch für den Grill am Abend ein.

Auch die ursprüngliche Idee über Istanbul weiter in den Osten zu fahren lassen wir fallen. Wohl viel Verkehr, Autobahngebühr, Ankes Bänderriss, den sie sich 4 Tage vor Abreise zugezogen hat und dazu die Eintrittspreise. Topkapi 54€, blaue Moschee Hagia Sophia 30€, Sultan-Ahmed-Moschee auch noch mal 30€. Wir nehmen die Route über die Dardanellen bei Canakkale. Zuvor aber noch die Ausreise Griechenland, etwas chaotisch die Abfertigung aufgrund der alten Gebäude und der Verkehrsführung. Dann über den Grenzfluss. Dort mitten auf der Brücke vier Wachhäuschen, jeweils mit zwei griechischen und türkischen Soldaten besetzt. Auf jeder Seite flattern die Fahnen in genau der gleichen Größe. Wirkt auf uns etwas kindisch. Vor allem wenn dann die alten griechischen Gebäude hinter einem liegen und die türkischen Gebäude in Sicht kommen. Auf türkischer Seite: Prunk und Protz. Bestimmt 15 Fahrspuren, riesige hohe Gebäude im „Sultan-Stil“, mit geschwungenem Dach, drei von diesen Gebäuderiegeln hintereinander. Erst Einreise, dann Zoll und zum Schluss nochmal ein Check der Papiere. Dann folgt eine 4-spurige Bundesstraße mit allerfeinstem Belag. „Welcome to Turkey“. Links und rechts der Autobahn wird Reis angebaut. In der ersten Stadt dann günstig tanken. Und es gibt Shell V Power Diesel für 1,20€ der Liter. Unser ULG soll auch was Gutes bekommen! Die Brücke über die Dardanellen, die 2022 eingeweiht wurde ist dann ein echtes Highlight mit Schmunzelfaktor. Es ist die längste Hängebrücke der Welt. Aber nur 30 Meter länger als die Akashi-Kaikoyo-Brücke in Japan. Wer da wohl im Hintergrund die Ansage gemacht hat, dass die Türken die längste Hängebrücke haben sollten? Nun ja für 20€ Maut kann der Motorist ja auch was erwarten.

Wir sind gut in der Zeit und erreichen Bursa am frühen Nachmittag und stehen auf einem kleinen Campingplatz mitten im Grünen und werden von der sprichwörtlichen Gastfreundschaft der Türken vereinnahmt. Zur Begrüßung Sesamkringel und Tee, dann noch eine Schale wunderbarer Kirschen. Am späteren Abend verabschiedet sich der Besitzer und wir halten noch einen unglaublich lustigen Schwatz mittels seines Mobiltelefon und App Übersetzter. Es ist so lustig was die App hin und her übersetzt, dass uns Dreien die Tränen über die Wagen laufen.

Am Tag darauf Stadtbesichtigung von Bursa, Weltkulturerbe. Wir finden gleich einen bewachten Parkplatz am Rand der Altstadt und tauchen ins tägliche Leben einer Millionenstadt ein. Nach ein paar Metern Richtung Bazar Koza Han bietet sich der erste Tee an. Einfach lecker der türkische Tee. Ein bisschen Zucker und der Geschmack wird runder. Wir beobachten die Menschen die in den Bazar laufen oder mit Tüten in der Hand den Bazar verlassen. Außer uns keine europäischen Touristen. Auch keine Souvenirstände im Bazar. Wir schlendern im Bazar von einer Gasse in die nächste, kommen dann an der großen Moschee Ulu Cami, gebaut um 1398, vorbei und schauen uns den riesigen Raum mit den sehr schönen Kaligraphien an den Wänden an. Nächstes Ziel das Mausoleum auf einem Hügel oberhalb der Stadt. Auf dem Weg dorthin machen wir Mittagspause. Heute, Joachim´s Geburtstag und so wird der Bursa-Spezial-Kebab auf Brot in herzhafter Tomatensoße das Geburtstagsessen. Auf dem Weg zurück zum Sprinter im Bazar noch Obst, Gemüse, Oliven, Brot und Fleisch eingekauft und dann raus aus der Stadt.

Wir fahren zu einem noch traditionellen osmanischen Dörfchen Cumalikizik, das ebenfalls zum Weltkulturerbe zählt. Leider wie so oft, viel zu viele Souvenirstände und Restaurants die den Gesamteindruck doch stark trüben.

Die weitere Reise Richtung Osten geht gut voran, die Bundesstraßen sind gut ausgebaut und so schaffen wir meistens um die 450 Kilometer am Tag. Auf dem Weg liegt noch eine Weltkulturerbestätte. Safranbolu. Den großen Campingplatz teilen wir uns mit einem türkischen Paar. Am nächsten Morgen bei herrlichem Sonnenschein können wir direkt vom Camping aus das kleine Mittelalterstädtchen besichtigen. Im Zentrum steht eine festungsartige Karawanserei. Der Ort lag an einer Nebenroute der alten Seidenstraße. Die verwinkelten Gassen, die mit Bruchsteinen ausgelegten Wege, die von früherem Wohlstand kündenden dreigeschossigen Fachwerkhäuser, lassen erahnen welcher Wohlstand hier in den Jahrhunderten verdient wurde. Uns gefällt es sehr gut. Heute sind in vielen dieser Häuser wunderschöne Boutiquehotels eingezogen. Aber wir haben ja unser Zuhause auf vier Rädern.

Von Safranbolu fahren wir über die Berge an die Küste des schwarzen Meeres. Von dort dann weiter nach Osten über eine schmale, nur noch aus geflicktem Asphalt bestehenden Straße. Es geht direkt an der Küste entlang. Jedes Flüsschen das ins Meer mündet wird im Landesinneren überquert. Heißt dann von der oberhalb der Steilküste verlaufenden Straße bergab, über die Brücke und dann wieder bergauf. Die Landschaft ein sattgrüner Wald über die Hügel verteilt mit allerlei verschiedenen Bäumen dicht bestanden. Buchen, Kiefern, Robinien. Zwischen den kleinen Orten nur Wald und die Straße.

Wir kommen langsam voran. Zum Spätnachmittag hin ergibt sich in einem kleinen Ort und dort am Hafen die Möglichkeit über Nacht stehen zu können. Einer der Fischer spricht noch Deutsch aus seiner Zeit in Mannheim und bestätigt uns, dass das hier ein guter Platz für die Nacht ist. Als er und seine Kollegen dann doch mühselig ihr Boot auf einem Hubwagen bis zum Kran ziehen, kann Joachim tatkräftig mitschieben. Ein kräftiger Handschlag als Zeichen des Dankes, als das Boot dann im Wasser schwimmt.

Bis zur Grenze nach Georgien sind es noch zwei lange Fahrtage an der Küste des schwarze Meers entlang. Für die Durchquerung der Städte Samsun und Trabzon brauchen wir jeweils eine Stunde. Ampeln halten dann doch auf. Aber dafür gibt es auch links und rechts etwas zu schauen.

Außerhalb der Städte finden sich in diesem Teil der Türkei zunächst Haselnusssträucher soweit das Auges sehen kann. In der Fläche, die Hänge rauf und runter. Im weiteren Verlauf lösen dann Teefelder die Haselnusssträucher ab. Der Tee wächst bis fast ans Meer heran. Aber auch die steilen Hänge entlang. Es werden riesige Mengen an Teeblätter geerntet. Die Blätter werden mit großen LKW an die Teefabriken angeliefert. Wir haben schon etliche Teefabriken gesehen und besucht, aber die Größe hier beeindruckt.

Aus dem Plan hier zwischen den Teefeldern zwei Nächte zu bleiben bevor es nach Georgien geht, wird nichts. Zum einen finden wir keinen schönen Platz zum Bleiben und zum anderen regnet es am folgenden Morgen in Strömen. Also machen wir uns auf, die letzten 100 Kilometer zur Grenze unter die Räder zu nehmen. Die Grenze kündigt sich schon 30 Kilometer vorher an. LKW stehen auf der rechten Fahrspur und warten wohl Tagelang bis sie an der Reihe sind mit der Abfertigung. Die Kennzeichen haben Abkürzungen für: TK, TJ, TM, KZ, AZ, GE, RUS und UA. Die Trucker haben alle noch einen weiten Weg vor sich und wir stellen uns in Gedanken unseren Weg in diese Länder vor. Und plötzlich ist dann auch schon die Grenze da.

Die genaue Route, mit noch mehr Bildern von unterwegs, findet sich unter:

https://findpenguins.com/3ttl2bbkugnfu/trip/6647a33311f836-18789952?s=192261c1a615b55e03a83a7059037b225a90dd68

Die Einreise – die Stadt Batumi – die Tage am Strand

Die Ausreise aus der Türkei geht recht zügig, da hier noch getrennt ausgereist wird. Eine Spur für PKW und eine Spur für viele LKW. Dahinter müssen dann alle auf eine Spur und warten. Die Georgier lassen immer nur ein Fahrzeug zur Einreise vorrücken. Da es immer noch regnet und der Himmel grau verhangen ist, macht die georgische Seite der Grenze keinen allzu einladenden Eindruck. Auf einmal wird ganz rechts grün für PKW angezeigt und Joachim zieht sofort rüber. Ein Grenzbeamter findet das nicht gut und lamentiert, aber mit dem Fingerzeig auf das große grün leuchtende PKW Zeichen zieht er ab. Eine Beamtin winkt uns heran, wir müssen nur kurz aussteigen, von jedem wir ein digitales Einreisebild erstellt und fertig. Hinter dem Schlagbaum dann orientalische Grenze. Schlaglöcher im Asphalt, Menschen die gestikulierend hin und her laufen, Taxis die wie wild heranbrausen und nach Fahrgästen Ausschau halten. Wir haben auch gleich schon Kontakt mit einem der vielen Vermittler der KFZ-Haftpflichtversicherung. „Offiziell“ wird er durch ein selbst hergestelltes Badge, das er um den Hals trägt und Joachim vor die Nase hält. Da die georgische Versicherung obligatorisch ist, schließen wir auch eine ab. Dann noch etwas Geld getauscht und rein nach Batumi, größte und wichtigste Hafenstadt von Georgien.

Da wir ein paar Tage am Strand verbringen wollen, nach der vielen Fahrerei bis hierher, schlängeln wir uns mittels Google Maps durch Batumi und staunen nicht schlecht. Die ersten Kilometer müssen allerdings alle die eingereist sind eine schmale Straße, hochtrabend die E 70, nehmen. Mit dem Regen ein nettes Chaos und dazu noch die Fahrweise einiger Georgier hier in Batumi. Für die Raser, Poser oder einfach nur Idioten muss das Auto folgende Kriterien erfüllen, was wir schnell feststellen: Mercedes-Benz, schwarz, und nur die großen Modelle, am besten den G als AMG Ausführung. Zur Not geht auch ein BMW oder Audi, aber nur in Farbe schwarz. Die Fahrer sind rücksichtslos, viel zu schnell unterwegs, immer auf die überfüllte Kreuzung fahren, obwohl klar ist, sie müssen wieder zurücksetzen. Nun gut. Google Maps führt uns also mitten hinein und Batumi mit einem Wort für den ersten Eindruck: Krass. Manche Straßenzüge könnten auch in Dubai stehen, so hoch und verspiegelt die Hochhäuser. Dazwischen Altbauten aus der Sowjetzeit, riesige Casinos. Dann fahren wir entlang an einem herrlichen Park, die Straße aus Kopfsteinpflaster. Wir schieben uns durch den Verkehr und brauchen eine Stunde, bis wir die Auffahrt auf die Schnellstraße erreicht haben. Dieser erste Eindruck reicht uns auch für den Moment.

Nach 40 Kilometer Richtung Norden, zweigen wir von der Schnellstraße ab. Mittlerweile ist der Himmel nur noch leicht bedeckt und wir hoffen so sehr, dass der Campingplatz für uns die nächsten Tage die Ruhe bieten kann, die wir suchen und wohl auch brauchen. Als wir ankommen scheint schon die Sonne, der Besitzer öffnet das Tor, wir parken den ULG parallel zum Strand, machen die Schiebetüre auf, stellen die Stühle raus und genießen die Ruhe bei einer Tasse Tee. Der perfekte Sonnenuntergang rundet diesen ereignisreichen Tag vollends ab. Wir sind in Georgien!

Am Abend bestellen wir uns an einem kleinen Kiosk am Strand die erste georgische Spezialität Chatschapuri, eine Art Käse-Schmand Pizza. Die Bäckerin hatte Spaß mit unserer „Hände-Füße-Kommunikation“, aber die geht weltweit immer. Dazu einen georgischen Rotwein, lecker!

Nach zwei Tagen am Strand, nun rein nach Batumi und den ersten Eindruck mit neuen Erlebnissen erweitern. Auf dem Weg in die Stadt schauen wir uns noch den botanischen Garten an. Ein riesiges Gelände, dass sich auf einer Kuppe am Meer entlang zieht. In verschiedenen Sektionen wurden weltweite Bäume, Sträucher und Blumen angepflanzt.

Und dann hinein in die turbulente Stadt Batumi. Hauptstadt der autonomen Republik Adscharien, wichtige Industrie- und Hafenstadt und eine aufstrebende Tourismushochburg. Unser Wohnmobil stellen wir auf einem großen öffentlichen Parkplatz am Rand der Uferpromenade ab. Nicht der schönste Platz, aber wir stehen sicher, die Altstadt ist nur ein paar hundert Meter weg und wie sich herausstellt ist es über Nacht still und wir schlafen sehr gut.

Gegen Abend hin machen wir uns „stadtfein“ und schlendern auf der Uferpromenade zu Nino und Ali. Eine Kunstinstallation bei der sich Nino, die georgische Prinzessin und Ali ein muslimisch aserbeidschanischer Prinz aufeinander zu bewegen, dann sich vereinigend überschneiden, um dann wieder getrennte Weg zu gehen, bis zur nächsten Vereinigung. Dieses Liebespaar schafft es nicht zueinander zu kommen. Wie die beiden in der Abendsonne glitzern begeistert uns.

Die Uferpromenade ist gesäumt mit Bars und Restaurants und in einer davon bestellen wir Mojitos und genießen den Blick aufs Meer und die vielen Ausflugsschiffe die parallel zum Strand auf und ab fahren. Hier wird gefeiert und das Urlaubs-Publikum kommt aus Zentralasien, Indien, Iran, Russland, Ukraine, Belarus und ein paar wenige aus Europa. In der Altstadt nehmen wir Platz in einem türkischen Fischrestaurant und Joachim bekommt das, was er sich gewünscht hatte. Mezze, Wolfsbarsch vom Grill und dazu einen mundigen Rose Wein.

Zurück zum ULG überstrahlt das Lichterspiel des Riesenrads den Parkplatz und man könnte fast meinen wir übernachten am Rand des Stuttgarter Cannstatter Wasen.

Am nächsten Tag nehmen wir am Morgen die Fahrräder und rollen gemütlich die 8 Kilometer lange Uferpromenade am Meer entlang. Rechts das Meer, der Strand und die ersten Sonnenanbeter. Links von uns: Herrliche Parkanlagen, riesig aufragende Hotels und Appartementhochhäuser. Dazwischen triste und heruntergekommene Wohnblocks, die wohl nur darauf warten weiteren Hochhäusern Platz machen zu müssen.

Über Mittag schlendern wir durch die quadratisch angelegte Altstadt. Alle Straßen und Gassen mit Kopfsteinen gepflastert, was den Autoverkehr merklich abbremst. Uns bietet sich ein Sammelsurium an verschiedenen Häusern und Stilrichtungen. Alt und verfallen, alt und aufs Beste renoviert. Zum wohnen oder als Hotel. Dazwischen kleine Kirchen und sehr schöne Jugendstilarchitektur. Auch wenn Batumi weit entfernt ist, diese Stilrichtung hat es vor weit über 100 Jahren in diese Weltgegend geschafft. Auf dem Europa-Platz die Statue der Medea und dem goldenen Vlies, die bei den Georgiern sehr verehrt wird.

In einem von geflüchteten Ukrainern betriebenen Café machen wir Mittagspause und sinnieren über den Krieg und seine Folgen. Über unseren Köpfen an der Fensterscheibe ein Aufkleber mit „Fuck Putin“. Mittlerweile ist es zu warm für Stadtbesichtigung und wir nehmen den kürzesten Weg zurück zum ULG und vertrödeln träge den Nachmittag. Breiten die Landkarten aus, schauen in den Reiseführer, schauen uns die Wettervorhersage für den kleinen Kaukasus an und entscheiden uns morgen ins Gebirge zu fahren.

Kleiner Kaukasus

Bevor wir unsere erste Fahrt ins Gebirge unternehmen, den kleinen Kaukasus, wollen wir noch einmal unsere Vorräte ergänzen und tanken. Batumi besitzt einen großen Carrefour Supermarkt und den steuern wir direkt an. Vom Warenangebot sind wir allerdings enttäuscht. Viele Großverpackungen, das Frischeangebot wenig attraktiv, nur die Bäckerei gefällt uns und das Weinangebot, was aber in Georgien auch nicht wirklich überraschend ist. Und viele russische Produkte, was sich wohl auch an der Nachfrage der vielen Apartmenturlauber aus Russland richtet. Wir wollen aber keine russischen Produkte kaufen, finden dafür aber ukrainische Salami und Schinken. Und wie sich herausstellen wird, sehr lecker. Joachim kauft sich noch ein Trikot der georgischen Fußball-Nationalmannschaft, dass er dann an den Spieltagen während der EM, wenn Georgien spielt, auch tragen wird. Noch den Tank mit Euro 5 Diesel gefüllt und dann raus aus der Stadt und dem Flusslauf folgen, der uns in die Berge bringt. Je weiter wir uns vom Meer entfernen, umso wärmer wird es. Als die Temperaturanzeige im Auto 30 Grad zeigt und aus den offenen Fenstern nur noch warme Luft hereinzieht, machen wir die Klimaanlage an und schalten diese erste auf gut 1.300 Höhenmetern wieder ab. Auf dieser Höhe und nach 80 Kilometern Fahrt auf Asphalt beginnt auch die Schotterpiste weiter in die Berge hinein. Nach weiteren 20 Kilometern beginnen zu unserem Leidwesen die Bauarbeiten für eine breitere und asphaltierte Strecke bis hinauf in ein neu gebautes Skiresort. Wir müssen oft halten, abwarten bis LKW mit Aushub beladen sind oder Betonverschalungen fest verankert. So können wir die tolle Landschaft nicht wirklich genießen und brauchen für die rund 40 Kilometer knapp drei Stunden. Bei 1.600 Höhenmetern zweigt dann die Piste in das im Sommer verlassene Skiresort ab. Das Resort mit seinen drei großen Hotelanlagen macht auf uns keinen einladenden Eindruck und so fahren wir weiter. Wie im Winter die holprige Piste vom Schnee freigehalten wird für die Skitouristen, ist uns ein Rätsel.

Die letzten Kilometer zum Goderdzi Pass (2025m) sind wir dann auch gleich gefahren. In einem windschiefen Holzhaus, das hier oben ein kleiner Laden, Bar und Café ist, lassen wir uns zwei Tee aufbrühen, und genießen den weiten Blick in die Landschaft.

Allerdings tost der Wind heftig um uns herum. Auf einem großen Metallschild wird für einen „Alpine Garden“ geworben und da auch ein Zeltzeichen abgebildet, die abzweigende Straße asphaltiert ist fahren wir los und schauen nach. Wenige Minuten später befinden wir uns wieder innerhalb der Baumgrenze. Sind umgeben von leuchtend grünen Buchen und hohen schmalen Nadelbäumen. Der Ranger des „Alpinen Garten“ kann Ankes Wunsch nach einem ganz besonders malerischen Übernachtungsplatz zustimmen und so parken wir auf einer herrlichen kleinen Lichtung für die Nacht. Der Ranger zeigt uns dann auf seinem Smartphone noch Bilder wieviel Schnee hier im Winter liegt. Das bestimmt 8 Meter hohe Hinweisschild des Passes ist im Frühling auf Schneeschuhen zu Fuß erreichbar.

Am nächsten Morgen folgen wir der Straße noch ein Stück bergauf und finden auf der Hochebene etliche hundert Holzhäuser, alle sehr einfach und zumeist aus Holz. Im Winter müssen diese komplett von Schnee eingehüllt sein. Die meisten werden wohl als Sommerfrische genutzt, aber etliche sind jetzt auch schon bewohnt und vor den Häusern werden größere Äcker am Hang mit Kartoffeln und Zwiebeln bepflanzt. Und alles in Handarbeit – was für eine Arbeit. Am Ende der Straße wenden wir und fahren ins Tal Richtung Abastumani. Bevor wir den nächsten Pass unter die Räder nehmen tanken wir noch ein paar Liter Diesel, denn in der Höhe und zumeist im ersten oder zweiten Gang braucht der ULG auf der Piste doch ordentlich Sprit.

Wie es der Zufall will wird direkt neben der Tankstelle frisches Puri, das georgische knusprige Brot gebacken. Der Ofen ist kugelig, aus Ziegeln gemauert und so im Boden eingelassen, dass der Bäcker die Fladen an die heißen Innenwände klatschen kann. Nach wenigen Minuten werden die Puri mit einem Schaber und Haken von den Wänden geholt. Super lecker das frische Brot.

Bevor wir die Abzweigung zu unserer nächsten Passüberquerung nehmen, kommen wir durch Abastumani. Ein kleiner Ort der sich um Thermalquellen herum entwickelt hatte. Hier setzen die Einwohner jetzt auf den Tourismus und wie oft in Georgien wird auch hier neu gebaut, altes renoviert, Straßen asphaltiert, ein Park angelegt, etc. Wir staunen nicht schlecht, so etwas gefühlt „in the middle of nowhere“.

Am Ende des Ortes geht es über eine kleine Brücke und direkt dahinter beginnt die Piste auf den Zekari-Pass. So schmal, dass wir uns nicht sicher sind, ob das richtig sein kann. In dem Moment kommt einer auf einem Quad uns entgegen und bestätigt – „Ja“ das ist die Piste. Die Bergflanke ist sehr steil, daher ist die Piste sehr schmal, sehr steil und mitunter auch tief ausgewaschen und die Haarnadelkurven nur mit gutem Augenmaß in einem Rutsch zu fahren. Meter um Meter geht es in die Höhe und nach knapp zwei Stunden haben wir die Passhöhe auf 2182 m erreicht. Der Himmel hängt voller Wolken, in der Ferne auch Gewitterwolken und wie so oft bläst ein heftiger Wind. Wir verweilen nur kurz und fahren weiter. An den Hängen sehen wir nun riesige Rhododendronfelder. Die Blüten zunächst in Farbe Weiß, dann auch welche in Rosa und etwas tiefer auch in Dunkelviolett. Als wir dann noch an einer fantastisch gelb leuchtenden Blumenwiese vorbeikommen, muss Anke erst einmal aussteigen und sich die Blütenpracht aus der Nähe anschauen.

Die Nordseite der Piste ist nun etwas besser zu fahren und wir kommen etwas zügiger voran. Auf einer grasbestandenen Hochebene stellen wir den Sprinter ab und gehen zu Fuß über die Ebene und folgen einem ganz schmalen ausgewaschenen Wirtschaftsweg. Nach ein paar Minuten dann ein Platz wie für uns gemacht. Blick über das Tal bis auf eine in der Ferne liegende Gebirgskette. Aber können wir diesen ausgefahrenen Weg nehmen? Langsam gehen wir zurück, schauen uns genau die Steinstufen an und entscheiden: Ja, das fahren wir. Der Platz ist grandios. Der Sonnenuntergang mit Worten kaum zu beschreiben. Tief im Tal hängen die Wolken wie Watte, die letzten Schneereste leuchten weiß auf der gegenüberliegenden Bergflanke und die Sonne färbt alles in ein leichtes Orange. Wir können uns kaum satt sehen und lassen darüber fast unser Abendessen kalt werden.

Am nächsten Morgen geht es dann von unserem Übernachtungsplatz auf 2.200 Höhenmeter auf der Piste hinab und unser nächstes Ziel ist die Stadt Vani. Dort wurde mit italienischer Hilfe ein kleines und feines Museum errichtet, welches uns die Kolchis Kultur näherbringt, von der wir zuvor noch nie etwas gehört hatten. Uns beeindrucken vor allem die wertvollen Grabbeigaben, und dabei besonders die Goldschmiedearbeiten. Für uns schwer vorstellbar wie im 6. Jahrhundert vor Christus so fein gearbeitet werden konnte. Wir freuen uns schon auf den großen Goldschatz der im Nationalmuseum in der Hauptstadt Tiflis ausgestellt wird.

Kutaissi und Umgebung

Dann noch ein paar Kilometer nach Kutaissi, drittgrößte Stadt Georgiens. Wir können etwas außerhalb des Zentrums in einem Garten eines Hostels parken. Der Tag war lang uns so gehen wir gegenüber in ein georgisches Restaurant zum Abendessen und bestellen klassische georgische Gerichte. Kinkali, Teigtaschen mit Fleisch oder Pilzen gefüllt („georgische Maultaschen“), gerauchte Auberginen mit Walnusspaste gefüllt, Spinatmuss und Rinderbratwurst vom Grill. Ja – lecker und reichhaltig. Fast die ganze Nacht regnet es, und je nachdem wo die Tropfen aufs Dach treffen gibt es unterschiedlich Töne. Tief schlafen ist schwierig. Gegen Morgen lässt der Regen nach und wir können dann auch draußen frühstücken.

Kutaissi hat zwei tolle Sehenswürdigkeiten. Die Bagrati Kathedrale und das Gelati Kloster welches außerhalb liegt. Mit den Fahrrädern sind wir zügig in der lebhaften Innenstadt, überqueren eine Brücke und dann hinauf auf den Bergrücken zur Kathedrale. Wie wir am Eingang auf einer Tafel sehen können, war das Gebäude um 1.900 nur noch eine Ruine und wurde in seiner heutigen Gestalt erst nach der Unabhängigkeit von Georgien wieder aufgebaut. Die Bagrati Kathedrale war seit 1994 auf der Liste der UNESCO Weltkulturerbe, nach neueren Renovierungsarbeiten wurde ihr der Status aber aberkannt. Wir können diese Entscheidung nicht nachvollziehen, bei diesem prachtvollen Gebäude. Es ist Sonntag und als wir eintreten findet noch ein Gottesdienst statt. Der Priester steht leicht erhöht und im Halbkreis direkt vor ihm die Gemeinde. Eine sehr nahbare und direkte Beziehung. Am Ende der Predigt tritt er die Stufe hinab und hält ein goldenes Kreuz mit beiden Händen den Gläubigen entgegen. Jeder der Gemeinde küsst nun das Kreuz und tritt zur Seite und macht Platz für den nächsten. Zuerst die Männer, dann die Frauen und Jugendlichen. Das geht so gut 20 Minuten lang bis jeder dran war.

Wir schnappen die Fahrräder und fahren einkaufen in den Green Bazar. Wie der Name sagt, hier gibt es Gemüse, Obst und Früchte. Aber auch Käse, Fleisch und Brot. Alles was wir brauchen für die nächsten Tage im großen Kaukasus.

Bevor wir in den großen Kaukasus aufbrechen besuchen wir das Kloster Gelati, auch eine UNESCO Weltkulturerbestätte. Die Anlage steht weit oben an einem Hang und wir betreten die Anlage durch ein steinernes Tor. Alle Klöster in Georgien waren auch mit einer Mauer und Türmen zur Verteidigung umgeben. Hier sind noch Teile erhalten. Die Hauptkirche ist innen eingerüstet um die Malereien zu konservieren. Bedingt durch die Stahlrohre ist von den Wandmalereien fast nichts zu sehen. Allerdings steht hinter der Hauptkirche noch eine kleine Kapelle und hier kommt gleich nach dem Eintreten eine ruhige und meditative Stimmung auf. Die wenigen Kerzen erleuchten den Raum so, dass die Malereien gut zu sehen sind. Wir nehmen auf einer kleinen Bank Platz und lassen die Stimmung auf uns wirken.

Durch das gleiche steinerne Tor verlassen wir die Anlage und machen uns auf den Weg nach Tskaltubo. Eine ganz spezielle Stadt. Ein Kurort mit 23 großen Sanatorien. Alle seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion verlassen und dem Verfall preisgegeben, da von heute auf morgen keine Kurgäste staatlicherseits mehr kamen. Ein „lost place“ wie er im Buche steht. Einige dieser riesigen und weit auseinander stehenden Gebäude sind teilweise bewohnt von Binnenflüchtlingen aus Abchasien und Ossetien. Vertrieben von Putin und seinen Gehilfen. Die Gebäude mit bis zu 400 Zimmern sind komplett leer. Fenster, Möbel, Kabel, Badezimmer – alles weg und die Gebäude seit reichlich 25 Jahren dem Verfall preisgegeben. Mitunter stehen sie eingewachsen im dichten Wald, wo wir einen ehemaligen Kinderspielplatz finden. Die Mosaike sind teilweise noch zu sehen, und geben uns einen Eindruck über die frühere Schönheit des Ortes. Das eine oder andere Sanatorium wurde in den letzten Jahren wohl verkauft und soll renoviert werden. Zu sehen ist nicht viel davon. Ein Sanatorium hat die Zeit überlebt und ist noch in Betrieb. Die radonhaltige Thermalquelle Nummer 6 – so einfallslos waren die Kommunisten und haben nur hochgezählt – bietet noch ein Thermalschwimmbad und Massagen an. Nichts für uns und so fahren wir nun in den Großen Kaukasus.

Große Kaukasus (Teil 1)

Zunächst geht es an einem Fluss entlang, bis die Straße dann immer weiter ansteigt. Kein Asphalt, sondern die Oberfläche aus Beton. Teilweise gut zu fahren, teilweise aber auch schon aufgebrochen durch Schnee und Eis im Winter. So fahren wir gemütlich und biegen nach gut zwei Stunden Fahrt ins Mazeri Tal ab. Ein Tipp von einer anderen Reisenden. Und was für ein Tipp. Wir passieren das letzte Dorf und das Tal weitet sich. Vor uns breitet sich eine Hochalm auf 1.700 Meter aus. Am Talschluss die Schneebedeckten Berge mit Gletschern die fast bis ins Tal reichen und dahinter der stahlblaue Himmel. Schöner kann es nicht werden. Wir parken etwas am Rand der Hochweide, machen Tee und Kaffee. Und zu alledem ziehen auch noch die Wolken die den Gipfel des Mount Ushba mit 4.700 Metern Höhe eingehüllt hatten weiter und geben den Blick auf diesen beeindruckenden Berg frei. Am nächsten Morgen werden wir von hunderten Kühen geweckt, die ins Tal ziehen, um sich ihr Futter zu suchen. Dazu ein paar Hunde die ein bisschen schauen, daß die Kühe auch weiterziehen.

Wir ziehen die Wanderschuhe an und machen uns auf den Weg weiter ins Tal hinein und dann hinauf Richtung Gletscherzunge. Für uns zu weit und so begnügen wir uns mit dem Blick auf einen Wasserfall. Im Talschluss haben junge Georgier das „Hikers Inn“ aufgebaut. Ein kleines Restaurant, bequeme Klappliegestühle, einen Badeteich und noch eine Sauna. Für uns ein Fladenbrot mit Hackfleisch und ein Radler und dazu der Blick in die Berge.

Der weitere Weg durch den Großen Kaukasus führt nach Mestia, die regionale Hauptstadt. Der Weg ist immer wieder von Kühen versperrt, aber auch von Schweinen, die dann sogar bis in den Ort Mestia hinein ihren Weg finden. Wir gewöhnen uns so langsam an diesen Anblick und sind hinter jeder Kurve gespannt, was so alles wieder auf der Straße steht.

In Mestia interessant zu sehen sind die 42 Wehrtürme. Bis zu 50 Meter hoch. Die unteren Meter aus massivem Stein. Auf ungefähr 10 Meter Höhe ein kleiner Eingang über eine Holzleiter zu erreichen, hier lagerten die Vorräte, im Stock darüber befand sich der Wohnbereich und ganz oben dann Ausguck mit Schießscharten. So konnten sich die hier lebenden Swanen gegen verschiedene Angreifer zur Wehr setzten, indem sie den Angriff einfach abgewartet haben. Jede Sippe hatten ihren Wehrturm und da es wohl oft Streitigkeiten innerhalb der Sippen mit Blutrache und Angriffe aus Nachbarvölkern gab, hatten die Wehrtürme eine wichtige Funktion. Einen Turm können wir besichtigen, was bedeutet im Inneren über steile Leitern nach oben. Hier, im fast Dunklen, einige Wochen auszuharren, ist für uns schwer vorstellbar. Da zwischen den Wehrtürmen heute die moderne Stadt steht, fehlt so ein bisschen Atmosphäre.

Die Nacht verbringen wir am Fuss des Chalaati-Gletschers, zu dessen Gletscherzunge wir am nächsten Morgen wandern wollen. Der Weg beginnt mit einer kleinen Hängebrücke und dann entlang am rauschenden Gletscherfluss, immer höher hinauf. Nach der Überquerung eines großen Geröllfeldes, können wir die Gletscherzunge sehen.

Dann geht es 40 Kilometer weiter nach Ushguli, einem Dorf aus mehreren Ortteilen, mit 46 Wehrtürmen. Chazashi ist am ursprünglichsten. Hier stehen nur die Wehrtürme, die steinernen Wohngebäude und die Kuhställe beieinander. Dieser kleine Ort steht ebenfalls auf der Liste der Welterbestätten. Mit dem Ausbau der Straße kommen allerdings auch deutlich mehr Touristen was an den Hostels und dem neu gebauten kleinen Busbahnhof abzulesen ist. Die anderen Teilorte in denen ebenfalls Wehrtürme stehen, haben aus unserer Sicht diese mittelalterliche Atmosphäre mittlerweile verloren, auf Grund der vielen Neubauten, die einfach nicht ins Bild passen. Wir können im Ortsteil Zhibiani hinter der kleinen Kirche auf einer großen Wiese stehen. Am Abend haben sich dann noch 4 andere Reisende mit ihren Autos eingefunden. Geweckt wird man von Kühen, die sich am Auto reiben und ihren Hütehunden. Die Aussicht, vor allem am Morgen ist grandios und überwältigend. Ein Blick auf das über 5000m hohe Bergmassiv Schchara mit seinen Gletschern, direkt an der russischen Grenze.

Wir fahren mit den Fahrrädern eine 6 km lange Piste bis zum Beginn eines Wanderweges, der uns zur Gletscherzunge des Schchara führt. Bunte Blumen-Wiesen rechts und links des Weges. Die Wanderung im Talschluss führt dann tatsächlich bis ans Eis heran. Aus zwei riesigen Auslässen strömt eisiges Gletscherwasser und von der gut 250 Meter breiten und bestimmt 50 Meter hohen Gletscherzungen brechen kleine Stücke ab und Steinbrocken kullern am Rand herab. Schnell noch ein paar Fotos gemacht und dann raus aus der Gefahrenzone. Wird ja nicht genau in diesen zwei Minuten der Gletscher kalben. Zu sehen ist allerdings, dass sich die Gletscher auch in Georgien in den letzten knapp zehn Jahren weit zurückgezogen haben. Zu erkennen an den kleinen Birken die auf dem ehemaligen Gletschergrund nun wachsen.

Am nächsten Morgen beginnt es leicht zu regnen. Der grandiose Blick in die Berge hat sich in einen mit tiefhängenden Wolken und Nieselregen verwandelt. Wir packen schnell und sind dann auf dem Weg über den Zagar-Pass (2653 m). Teile des Weges sind Piste und durch den mittlerweile heftigen Regen und Hagel auch ganz gut aufgeweicht. Wir fahren langsam und hinter dem Pass, der eine Wetterscheide ist, können wir schon wieder die Sonne sehen. Nun geht es fast 2.500 Höhenmeter bergab, die Temperatur steigt und wir sind rundum glücklich, unsere erste Schleife durch den Kaukasus mit so vielen Eindrücken und Erlebnissen hinter uns zu haben.

Auf dem Weg in die Tiefebene Georgiens, kommen wir durch die Weinregion Racha-Lechkhumi, bekannt für seinen Semi-Dry-Rotwein, der kalt getrunken wird. In unserem Reisebuch wird ein sehr gutes Restaurant beschrieben, das wir ansteuern. Nach 5 Nächten mit Selbstverpflegung, wollen wir uns mal wieder kulinarisch georgisch bekochen lassen. Wir dürfen in der Sackgasse hinter dem Restaurant über Nacht stehen und freuen uns auf die Weinprobe und Essen. Wir sind sehr überrascht, wie lecker dieser Wein schmeckt.

Die größte Sehenswürdigkeit in der Region Racha ist die Kathedrale von Nikorzminda. Eine besonders schöne und einzigartige Kirche, mit feiner Steinmetzkunst an den Außenfassaden. Aber auch der Innenraum ist wieder einmal übersäht mit bunten Fresken, bis in die Kuppel.

Gori, Geburtsstadt Stalins

Auf dem Weg nach Tiblissi halten wir in der Stadt Gori. Geburtsort von Stalin. Im Stadtzentrum können wir gut parken, gehen durch einen kleinen Park und stehen dann vor seinem Geburtshaus. Einfach, gemauert und klein. Eigentlich keine Überraschung, wenn man 1878 in Gori geboren wurde. Das Museum selbst zeigt nur Fotografien auf denen Stalin im Mittelpunkt zu sehen ist und Gemälde mit ihm als Motiv. Dazu einige Gebrauchsgegenstände die der Diktator und Menschenschlächter wohl selbst benutzt hat. Über die Verbrechen und die Millionen von Toten für die er letztlich verantwortlich ist, findet sich nichts. Alles ist unkommentiert zusammengestellt. Seine Furcht vor dem eigenen Volk lässt sich vielleicht an dem Eisenbahnwagon ablesen mit dem er durchs Land reiste und der neben dem Museum steht. So dick gepanzert, dass es sechs Achsen brauchte um den schweren Wagon stabil zu halten. Wir wollten uns das Museum anschauen, da auch dies zu einer Reise nach Georgien gehört.

Mtskheta – georgisches kulturelles und regligiöses Zentrum

Auf dem weiteren Weg besuchen wir die Krönungs- und Begräbnis-Kathedrale der georgischen und iberischen Könige in Mtskheta. Mittlerweile ist es richtig heiß geworden. Das Thermometer zeigt 34 Grad. Und hier sind jetzt auch sehr viele Touristen, die aus dem nahen Tibilissi einen Tagesausflug machen. Wir sind erstaunt aus welchen Weltgegenden die Menschen sind, Indien, China und Iran – an der Sprache erkennbar und von der arabischen Halbinsel. Hier zu erkennen an den komplett schwarz gekleideten Frauen mit Niqab. Dazu noch Japaner und Koreaner, ein paar Israelis und auch ein paar Reisende aus Europa. Mehr als 1000 Jahre war Mtskheta Hauptstadt des iberischen Reiches und wichtiges Handelszentrum. Hier trafen 2 Routen der Seidenstraße aufeinander. Die Svetitskhoveli Kathedrale, ein Kreuzkuppelbau aus dem 11 Jh. ist deutlich größer, als alle bisherigen Kirchen, die wir besucht haben und daher sehr imposant.

Tbilisi – die Hauptstadt (Tiflis)

Für die wenigen Kilometer von Mtskheta bis Tbilisi brauchen wir dann etwas länger, da der Verkehr in der Stadt mit 1,4 Millionen Einwohner doch auch mit Stau und Ampeln verbunden ist. Den Platz auf dem Wohnmobilreisende stehen können, befindet sich an einem Hang etwas oberhalb der Stadt. Hier stehen schon ein paar Overlander und wir stellen uns dazu und beschließen einen aufregenden Tag. Der allerdings eine Fortsetzung findet in einem ganz kleinen Restaurant im Keller bei leckerem Essen. Heute Abend ist Fußball Europameisterschaft und Georgien spielt gegen die Türkei. Joachim trägt das Trikot der Georgier, die Wirtin gibt einen Schnaps aus als Georgien ein Tor schießt. Mit anderen Reisenden sitzen wir dann noch bis spät in die Nacht vor den Fahrzeugen und klettern dann mit großer Bettschwere in die Wohnmobile. Der georgische Wein ist aber auch wirklich zu gut.

Die Sonne scheint zum Frühstück von einem makellosen blauen Himmel. Es verspricht warm, sehr warm zu werden. Mit kurzer Hose und T-Shirt bekleidet gehen wir dann los. Bergab durch das armenische Viertel, oder durch das was noch übrig ist. Was an Häusern noch steht ist entweder so verfallen, dass keiner mehr dort wohnt, oder gerade noch so. Die Armut in diesem Viertel ist offensichtlich. Verstörend für uns sind die Neubauten, die direkt daneben stehen. Oft mit teuren Autos davor. Arm und Reich so nah beieinander.

Toll, dass fast alle Häuser einen Blick auf den gegenüber liegenden Hang haben. Dort steht die alte Festung und unterhalb davon im Häusergewirr der Altstadt schauen einige Kirchentürme hervor. Beide Stadtseiten getrennt durch die heftig strömende Mtkvari, ein Fluss der am Ende in Aserbaidschan ist Kaspische Meer mündet. Auf der Mtkvari schippern kleine Ausflugsboote. Nichts für uns. Wir gehen zum Fluss hinunter und besichtigen auf dem Weg die Metechi-Kirche. Dort kommen Gläubige hin, um mit einem Gebet um Heilung von körperlichen Gebrechen zu bitten. Unser nächstes Ziel ist die Festung auf dem Bergrücken. Mittlerweile ist es gut warm und wir nehmen die Gondel hinauf. Für viele der internationalen Touristen ihre erste Fahrt im Leben mit einer Seilbahn und so sind viele unsicher beim Einsteigen und Aussteigen. Der Blick aus der Gondel auf die Stadt ist doch ein ungewöhnliche und schöne Perspektive. Dann von ganz oben ein toller Blick über die gesamte Stadt.

Auf der Anhöhe die große Statue der „Mutter Georgiens“, aus Aluminium und glänzt in der Sonne. Sie symbolisiert die Stadt Tibilissi, die im Volksmund „Mutter Georgiens“ genannt wird. Sie schaut auf die Stadt, in der einen Hand eine Schale Wein für Freunde und in der anderen Hand ein Schwert für die Feinde.

Zu Fuß gehen wir über steile Stufen hinab in ein anderes Stadtviertel und suchen uns ein nettes Restaurant für die Mittagspause. Wir bestellen georgische Vorspeisen, die unglaublich lecker sind. Aubergine, Spinat und Karotten mit Walnussmus, Walnusspaste und wunderbar schmackhaften frischen Gewürzen verfeinert. Gut gestärkt und ausgeruht laufen wir noch zur Moschee. Von außen angepasst an die umliegenden Häuser. Also roter Backstein, das Minarett nicht allzu hoch. Im Inneren dann sehr persisch anmutende glasierte Kacheln die arabische Kalligraphie zeigen.

Noch ein kurzer Streifzug durch das Bäderviertel, aber bei gut 30 Grad im Schatten ist uns nicht nach warmem schwefelhaltigem Thermalwasser. Mit dem Taxi zurück und dann die Hitze des Spätnachmittags am Auto mit Tee vorübergehen lassen.

Unser Standort oberhalb der Sameba-Kirche ist ebenfalls bestens geeignet, um sie zum Sonnenuntergang zu besuchen. Die Kirche wurde 2004 fertig gestellt und zeichnet sich vor allem durch die Größe aus und die im Abendlicht wunderbar glänzende goldene Dachkuppel. Sie ist der größte Sakralbau in Georgien und unserem Gefühl nach demonstriert sie auch das wiedererlangte Nationalgefühl, eine vom imperialen Russland unabhängige Republik zu sein und die eigene Religionshoheit wiedererlangt zu haben. Also ein durchaus politisches Statement und Symbol.

Mit der aktuellen politischen Lage werden am kommenden Tag konfrontiert. Durch den Rike-Park, vorbei an den Röhren der Konzert- und Ausstellungshallen, darüber die Kuppel des Präsidentenpalastes, geht es über die Friedensbrücke zur Liberty Square. An einer Seite des Platzes kommen wir an einem Gebäude vorbei, auf dem in riesigen Lettern zu lesen ist: „Information Center on NATO and EU“. Wir suchen gespannt den Eingang, der aber geschlossen ist und von einer Blumenfrau für ihren Verkaufsstand genutzt wird. Was soll das denn sein?

Wir gehen weiter ins Viertel, mmmhhh. Hier stehen beeindruckende mehrgeschossige Häuser vom Beginn des 20. Jahrhunderts. Leider sehr viele in schlechtem Zustand. Aber die Bewohner offensichtlich sehr politisch. Wir sehen Graffitis: „Russia go home“ – „Putin fuck you“. Dazu viele blau-gelbe Fahnen der Ukraine.

Auf dem weiteren Weg kommen wir am Parlament vorbei. Dort wurde ja in den letzten Wochen heftig demonstriert gegen das sogenannte „russische Gesetz“. Vor dem Eingang steht ein einzelner Security Mann, zwei kleine Polizeiautos parken auf dem Gehweg. Auch in den Seitenstraßen keine Polizei oder Absperrgitter oder gepanzerte Fahrzeuge.

Wir schlendern weiter auf der Rustaveli Avenue und unter den riesigen Platanen ist genug Schatten vor der Sonne. Georgier sitzen auf Bänken, einige verkaufen gebrauchte Bücher, Mütter passen auf ihre spielenden Kinder auf. Links und rechts reiht sich Museum an Museum, Theater an Theater. Ein Opernbau im neo-maurischen Stil und dazwischen eine Edelboutique nach der anderen. An der Auffahrt zum Grand Hyatt Hotel stehen dann die dunklen deutschen Limousinen. Zwei Maybach, zwei BMW dazu Porsches und ein Audi A8.

Bevor wir das Nationalmuseum besuchen, noch eine kleine Pause und Stärkung und wie immer sehr lecker. Im Untergeschoss des Museum werden die goldenen Grabbeigaben aus verschiedenen vorchristlichen Epochen präsentiert, v.a. auch der Kolchis-Kultur, das wir bereits in Vani kennengelernt hatten. Wir sind wieder erstaunt welche handwerkliche Kunst damals vorhanden war.

Zwei Tage Stadtbesichtigung reichen uns, obwohl es noch einiges mehr zu entdecken gäbe. Da wir ja noch einmal nach Tbilisi kommen, um Freunde am Flughafen abzuholen und gemeinsam in den Kaukasus zu fahren, die beiden zum Wandern und wir weiter in den Süden, werden wir uns sicherlich das eine oder andere Viertel noch anschauen.

Vashlovani Nature Park

Unser nächstes Ziel ist der Vashlovani Nature Park ganz im Südosten von Gerogien und auf drei Seiten umgeben vom Nachbarland Aserbaidschan. Zuvor bleiben wir aber noch ein paar Tage auf einem kleinen, feinen Campingplatz „Finca Idoize“ der auf dem Weg dorthin liegt. Der Platz bietet einen schönen Swimmingpool, eine Waschmaschine und andere Overland Reisende. Wir stellen den ULG mit Blick auf die Weinreben ab, die den Campingplatz begrenzen. Mit den anderen Reisenden wird viel geplaudert, wer war wann wo. In welchem Zustand sind die Pisten, wer fährt welchen Reifen, wie gut ist der Diesel, wie ist das Leben bisher so verlaufen. Es ergeben sich durchaus sehr persönliche Gespräche. So vergeht Stunde um Stunde und ein Thema kommt dann immer auf. Wie sind die Pisten im Vashlovani Nature Park? Keiner war dort, aber wir werden fahren und sehen.

Die Fahrt nach Dedoplis Tskaro führt am Rand der Alazani Ebene entlang. Eine sehr fruchtbare Gegend und für den Weinanbau so gut geeignet, dass wir immer Weinreben im Blick haben, egal wie sich die Straße windet. Dann geht es einen Hügel hinauf und die Landschaft ändert sich. Weniger grün, fast topfeben und in der Nachmittagssonne goldgelb schimmernd. Heute ist Sonntag und von daher ist die Nationalparkbehörde geschlossen. Also kommen wir morgen, um das Permit zu erhalten um den Park besuchen zu dürfen. Für die Nacht finden wir ein prima Plätzchen etwas außerhalb an einem See.

Montag um 9:30 sind wir dann im Büro der Nationalparkbehörde, klären die Fahrtroute im Park und wir versichern – „Ja, wir fahren ein Allradfahrzeug“ – bezahlen und machen uns auf den Weg zur Grenzpolizei. Für unsere Route die nahe an der Grenze zu Aserbaidschan verläuft brauchen wir die Erlaubnis. Diese wird innerhalb von 15 Minuten für uns ausgestellt und auf geht’s.

Zunächst fahren wir aber noch zu einem verlassenen sowjetischen Militärflugplatz. Die Flugzeughangars, 55 an der Zahl, stehen unvermittelt in der Landschaft. Auf den Rollwegen wachsen Bäume, in den Hangars wird Getreide gelagert oder wird von den Kühen genutzt als Schattenplatz. Der fast vergessene Kalte Krieg ist hier ganz direkt erlebbar.

Hinter dem Flugplatz geht es gut 20 Kilometer auf einer schmalen Erdpiste durch die gelben und erntereifen Weizenfelder, die sich fast bis zum Horizont erstecken. Und wieder ändert sich die Landschaft innerhalb weniger Kilometer. Der Nature Park liegt vor uns. Es geht eine steinige Piste bergauf. Oben angekommen und weiter Blick in sanft geschwungene Hügel, mit leuchtend grünem Gras bestanden und dazwischen eine große Vielfalt an Wiesenblumen mit Blüten in blau, gelb, weiß, rosa und lila. Sattsehen kaum möglich. Also hier Mittagspause.

Und dann erkennen wir ganz schnell auf den nächsten Kilometern, warum hier ein Allradfahrzeug absolut nötig ist und die Behörde nur kleinere und leichtere Fahrzeuge den Zutritt gewährt. Es geht in engen Serpentinen auf Sandstein steil bergab in ein schmales und trockenes Flussbett. Der Verlauf schlängelt sich um Felsenvorsprünge, auf ausgewaschene Felsen dahin und dann wieder auf Kies und dicken runden Flusssteinen. Das Geräusch der Reifen auf dem Kies mischt sich mit dem Knarzen des sich verwindenden Autos. Auf den ersten Kilometern spricht keiner von uns ein Wort. Nur schauen und unsere erste Fahrt in einem Wadi mit allen Sinnen aufnehmen. Bevor das Wadi breiter und weiter wird müssen wir noch eine Engstelle passieren. Ein riesiger Felsbrocken ist wohl beim letzten Regen herabgestürzt und verengt die Durchfahrt. Zum Felsen noch nur 3 Zentimeter Luft, zur Felswand ebenfalls ganz knapp, aber wir kommen durch und sind erleichtert. Erst als das Wadi breiter wird, kommt bei Anke wieder die Lust am Fotografieren auf.

Bis zur Ausfahrt aus dem mittlerweile gut 500 Meter breiten Flussbett finden sich keine Fahrspuren mehr. Wir suchen also nach dem besten Weg, was gut klappt. Die Ausfahrt ist mit einem kleinen Wegweiser markiert und die Piste biegt unmittelbar nach Osten ab. Nun sehen wir die eben durchquerte Karstlandschaft in ihrer ganzen Breite und Höhe. Ein Anblick bei dem wir erstmal Kaffeepause einlegen. Der weitere Weg nach Osten führt gut 40 Kilometer immer an diesem Gebirgszug entlang. Wir sind nun außerhalb des Parks und sehen in regelmäßigen Abständen verlassene Gebäude und können uns zunächst keinen Reim darauf machen. Als wir allerdings die dazugehörigen Viehgatter sehen ist klar: Hier ist die Winterweide für die Schafe aus dem großen Kaukasus. Eine Wanderung von bestimmt 200 Kilometern – einfache Strecke. Richtung Süden können wir die Berge jenseits der Grenze sehen und einmal bucht sich unser Mobilphone auch ins aserbaidschanische Netz ein.

Bevor es wieder in den Park geht, kommen wir an der Station der Grenzpolizei vorbei. Unsere Genehmigung wird geprüft und wir fahren weiter. Jetzt biegt die Piste ab nach Norden und anstatt einem Wadi zu folgen müssen wir das Bachbett dutzende Male queren. Steil die fünf manchmal auch zehn Meter hinunter und drüben wieder rauf. Alles auf lockerem Untergrund. Wir sind froh, dass wir uns eine Differentialsperre für die Hinterachse haben einbauen lassen. Ohne die Sperre wären wir an der einen oder Stelle nicht aus dem Bachbett gekommen. Der Sprinter macht das alles ohne einen Muckser mit.

Am späten Nachmittag finden wir direkt neben der Piste eine passende Stelle für die Nacht. Einen ganzen Tag gefahren und gerade mal 85 Kilometer auf dem Tacho. Leider kühlt es nachts nicht ab und so bleibt die Temperatur bei 28 Grad stehen, ohne ein Hauch Wind.

Geschlafen haben wir nicht so gut. Deshalb brechen wir am kommenden Morgen auch früh auf. Ziel ist ein Aussichtspunkt über die weite Erosionslandschaft der in unserer Karte vermerkt ist. Die Anfahrt wieder in einem Bachbett, aber dieses recht steil und daher extrem ausgewaschen. Und kein Platz zu wenden. Also weiter bergan. Nach 30 Minuten sind wir oben und schnaufen erstmal durch. Zurück werden wir es dann wohl auch schaffen. Der Ausblick ist schon klasse, zumal es noch recht früh am Tag ist und die Sonne Schatten in die Erosionsrinnen wirft.

Mit dem Wissen hochgekommen zu sein, wenden wir und nehmen uns den nächsten Aussichtspunkt vor. Die kaum erkennbare Piste dorthin und die vielen in sie hineinragenden Büsche und Bäume lässt uns aber umkehren. Genug ist genug. Die Fahrt zurück nach Dedoplis Tskaro stellt dann keine Herausforderung mehr da. Auf der Asphaltstraße angekommen ist das Gefühl darauf zu fahren eher wie im Flug. Der Fahrwind pfeift und die Geländereifen summen ihr Lied.

Kloster Dawit Garedscha

Der Wetterbericht für die Berge sieht gar nicht gut aus. Viel Regen, mitunter sogar Dauerregen. Also kein Wetter um in die Berge des großen Kaukasus zu fahren. Aber im Süden sieht es gut aus. Unser Ziel ist das Höhlenkloster Dawit Garedscha, an der Grenze zu Aserbaidschan. In der letzten größeren Stadt kaufen wir noch ein. Tanken Diesel und Wasser und sind so bestens vorbereitet für ein paar Tage in der Steppe. Die beginnt dann auch wenige Minuten Fahrt hinter der Stadt und begeistert uns sofort. Weit geschwungene Hügel, mit Gras bestanden das um diese Jahreszeit noch richtig grün ist. Anhalten, fotografieren, weiterfahren. Ein paar Kilometer dann wieder. Anhalten, fotografieren, weiterfahren.

Wir fahren durch den letzten kleinen Ort vor der Landgrenze. Viele völlig verlassene Bauruinen sehen wir. Konsequenz aus der Tatsache, dass zu Sowjetzeiten Menschen hierher zwangsumgesiedelt wurden, Menschen aus Bergen, die hier in der Steppe leben sollten. Mittlerweile sind die Menschen wieder zurück oder in größere Städte abgewandert und die Betonskelette sind stumme Zeugen der Vergangenheit. Hinter dem Ort dann die wunderbare Landschaft und es tauchen auch die Sandsteinformationen auf, in denen die Mönche im 6. Jahrhundert angefangen haben Höhlen hineinzuschlagen, um dort zu leben. Ins Hauptkloster Dawit Garedscha fahren wir morgen. Wir suchen einen Platz für die Nacht, biegen von der Straße in eine ganz schmale Piste ein. Noch ein Kilometer und dann der perfekte Platz für die Nacht. Wie immer am Nachmittag, wenn es passt: Tee, Kaffee und Kuchen. Da es noch lange nicht spät ist, ziehen wir die Wanderschuhe an und folgen der Piste. Da die Piste nicht genutzt wird, laufen auf den Fahrspuren die Landschildkröten. Wir treffen allein acht Stück. Auf dem gegenüberliegenden Hang können wir mit dem Fernglas den Beobachtungsposten der georgischen Grenzpolizei ausmachen. Der sieht uns bestimmt auch. Da wir keinen Besuch erhalten und uns auffordert etwas weiter entfernt von der Grenze zu übernachten, sehen wir einer ruhigen Nacht entgegen.

Klappt auch bis es um 6:00 in Früh anfängt zu regnen. Erst tröpfelt es ein paar Minuten vor sich hin, kein Grund zur Sorge also. Dann aber setzt heftiger Regen ein und wir stehen auf dieser kleinen erdigen Piste. Wir packen so schnell es geht, sodass beim Fahren nichts zu Bruch gehen sollte. Um 6:23 fahren wir los. Der Regen hat mittlerweile die obere Bodenschicht so aufgeweicht, dass wir wie auf Glatteis fahren. Der Sprinter schlingert hin und her. Als die Piste eine leichte Neigung hat, rutscht das Hinterteil hangabwärts weg in die Wiese und wir fahren ein paar Meter schräg zum Hang. Dann greifen die Hinterräder im Gras und schwupps sind wir wieder mit allen vier Rädern auf der schmierigen Piste. Jetzt noch den kleinen, gestern noch völlig unscheinbaren Hang hinauf. Joachim schaltet noch die Hinterachssperre zu, dauert kaum ein paar Sekunden bis sie drin ist, aber jetzt fühlt es sich an wie eine Ewigkeit, die Scheibenwischer, wisch wasch hin und her. Mit etwas zu viel Schwung den Hügel hinauf, der Sprinter hüpft hin und her aber wir sind oben. Jetzt noch ganz langsam die letzten rutschigen Meter zur Straße. Dieser eine Kilometer und diese gerade mal sechs Minuten waren Adrenalin pur. Wir suchen uns einen befestigten Platz, legen uns zurück ins Bett, schnaufen noch ein paar Mal durch und schlafen noch eine Runde.

Der Regen hört dann auch auf und die Sonne kommt zum Vorschein. Die ersten Touristen sind auch schon auf dem Weg zum Kloster. Wir packen unsere Sachen und fahren dann auch zur Klosterbesichtigung. Das Kloster selbst liegt am Hang. Heute leben die Mönche in fest gemauerten Häusern, die ehemaligen Nischen im Sandstein sind nur noch eine schwache Reminiszenz an die Vergangenheit.

Bolnisi (ehem. Katharienenfeld)

Aufgrund des Regens können und wollen wir nicht die Piste in den nächsten Ort nehmen, nach der Erfahrung vom Morgen. Also einen größeren Umweg fahren. Auf unserem Weg wollen wir die Stadt Bolnisi besuchen oder wie sie bei Gründung hieß: Katharienenfeld.

1817 verließen einige pietistische Familien aus Schwaben ihre Heimat, schipperten die Donau hinunter, um hier im Kaukasus ein neues Leben zu beginnen. Landrechte erhielten sie vom damaligen Zar, dazu die Zusage religiöser Freiheit und keinen Kriegsdienst leisten zu müssen. Schwäbisch pietistischer Fleiß ließ die Gemeinde wachsen und gedeihen, was an den großen und stattlichen Häusern abzulesen ist. Nach der russischen Revolution war es dann aber auch vorbei mit der Eigenständigkeit. Die Landwirtschaft wurde kollektiviert, also die Eigentümer enteignet. Den Deutschen wurde zudem der Zugang zur neu gegründeten Kolchose verweigert. Plötzliche bittere Armut und Hunger waren die Folge. 1930 wurden dann alle Deutschen auf Befehl Stalins nach Sibirien deportiert. Seitdem verfallen die Häuser und die Kirche wurde und wird als Turnhalle genutzt. Eines dieser Häuser wurde in den letzten Jahren mit deutscher Hilfe und Geld wieder aufgebaut. Ein Schild mit der deutschen Aufforderung hat uns sehr amüsiert. Ein kleiner und spannender Teil der Geschichte.

Hochplateau Tsalka

Unser Tagesziel ist die Hochebene von Tsalka. Dorthin geht es an einem Fluss entlang, der in einem tiefen Tal fließt. Wir fahren durch dichte Laubwälder flussaufwärts bis zum Talschluss und nehmen dann eine recht ordentliche Piste auf das Hochplateau. Dort liegt auf 1450 Höhenmeter ein großer See an dessen Nordufer wir uns einen schönen Platz mit Seeblick für die Nacht suchen. Als die Sonne untergeht beginnt es zu regnen. Der Regen hält dann auch noch den ganzen nächsten Tag und die Nacht an. So verbringen wir das erste Mal überhaupt einen ganzen Tag im ULG. Geht erstaunlich gut. Am Morgen hängen die Wolken tief und es nieselt.

Tbilisi (Teil 2)

Auf nach Tibilisi, dort scheint die Sonne. Kaum fahren wir vom Hochplateau tiefer, hört es auf zu regnen und Tbilisi hat 24 Grad und ein paar Wolken am Himmel. Perfekt für einen weiteren Stadtbummel am Nachmittag.

Da wir noch lange nicht alles gesehen haben, machen wir uns auf die Sioni-Kathedrale zu besichtigen. Hier herrscht strenges Regime, was die Kleiderordnung angeht. Männer Knie bedeckt, also keine kurze Hose, die Frauen Kopftuch, aber richtig gebunden. Mit Ankes großen Tuch können wir nacheinander hinein. Der Innenraum hell, sodass die Wandmalereien sehr gut zu sehen sind. Heimlich 1 Bild von der Pracht gemacht. Zwar eine orthodoxe Kirche, aber hier finden sich auch modernere Stilelement, was durchaus seinen Reiz hat und vom Üblichen abweicht.

Gleich um die Ecke die Synagoge. Und was uns überrascht. Das Tor und die Türe stehen einfach so offen. Kein Wachmann, keine Polizei. Einfach eintreten. Allerdings architektonisch nicht besonders attraktiv. Ein kurzer Blick hinein reicht uns und wir gehen weiter. Eine große steinerne Tafel erregt dann doch noch unsere Aufmerksamkeit. „We stand with Israel“ steht als Titel oben auf der Tafel. Dazu Farbfotos der entführten Geiseln und der toten israelischen Soldaten. So schnell kann einen die aktuelle Lage einholen.

Etwas nachdenklich gehen wir weiter Richtung Liberty Square, durchstreifen ein Wohnviertel in dem wir noch nicht waren. Dort wieder der krasse Gegensatz in den Häuserzeilen. Neu – alt – renoviert – verfallen – zusammengefallen. Alles beieinander. Unser Stadtbummel beenden wir an einer netten Weinbar, von denen es so viele gibt, dass die Auswahl schwerfällt.

Tuschetien für uns unerreichbar

Ein weiters Mal verlassen wir Tbilisi und füllen unsere Vorräte im Supermarkt Carrefour, an der Ausfallstraße, auf. Dann noch ein Abstecher zur „Chronik von Georgien“. Ein riesiges Denkmal hoch über Tbilisi. Am Eingang bei den ersten Stufen eine in den Boden eingelassene Messingplatte. Dort in georgischer, russischer und englischer Sprache, was es mit dem Denkmal so auf sich hat. 3.000 Jahre georgische Verfasstheit als Volk und 2.000 Jahre christliche Religion. Wir vermuten die russische Sprache, um den russischen Touristen klar zu machen, dass Georgien schon sehr lange existiert und Russland nicht braucht und will. Die massiven Säulen zeigen im unteren Teil Geschichten aus dem neuen Testament und im oberen Teil große historische Persönlichkeiten Georgiens. In der Regel als Könige und Herrscher dargestellt. Die Säulen sind groß und dunkel und machen den Besucher klein, angesichts der Geschichte Georgiens. Wenn das das Ziel des Denkmals ist, dann klappt das ganz gut.

Unser Ziel für heute ist die Abzweigung von der Hauptstraße ins fast sagenumwobene Tuschetien. Das sind gut 150 Kilometer Strecke auf gut zu fahrenden Straßen. Die sehr schwer zugängliche Bergregion mit den vielen über 4.000 Meter hohen Berggipfeln der Tuscheti Bergkette ist für alle Allradreisende und Endurofahrer der Anziehungspunkt schlechthin. So auch für uns. Vor ein paar Tagen hatten wir andere Reisende getroffen, die von schwierigsten Verhältnisse berichtet hatten. Schmale Piste, extrem steil und fast senkrechte Serpentinen im Fels. Nun gut, wir werden sehen. Wir haben ja extra ein paar Tage gewartet, um perfektes Wetter zu haben. Am nächsten Tag in der Früh geht es dann los, die Sonne scheint vom blauen Himmel und wir sind bester Laune. Die ersten Kilometer geht es noch über eine breite Piste, die aktuell ausgebaut wird. Und wie so oft, wenn es dann losgeht mit der „richtigen“ Piste, muss der ULG kämpfen. Die Piste schmal, extrem ausgewaschen und wir holpern über den nackten Fels. Fängt ja gut an. Sind ja nur noch 55 Kilometer und 2.000 Höhenmeter auf den Abanopass (2826 m) hinauf, bis ins Ziel nach Omalo. Gelesen hatten wir, daß die Einheimischen fünf bis sieben Stunden für die Strecke brauchen. Zweifel kommen auf, ob wir uns und dem Sprinter das antun wollen. Dann beginnen die Serpentinen die praktisch aus der senkrechten Wand geschlagen wurden. Durch die ersten Kurven kommen wir gerade noch so durch. Dann an der vierten Serpentine kommen wir nicht mehr in einem Rutsch rum, zu steil für uns. Nun stehen wir mit dem Hinterteil bergab und das rechte Vorderrad hebt sich ganz langsam in die Höhe. Der Sprinter neigt sich ziemlich nach links und knarzt aufgrund der Verwindung der Karosserie fürchterlich. Schnell den Rückwärtsgang rein und ein Stück zurück. Nun alle Räder wieder mit Bodenkontakt. Hier ist für uns Schluss. Bloß wie umdrehen an dieser Stelle? Mit unzähligem Rangieren vor – zurück – vor – zurück, stehen wir mit der Schnauze wieder bergab. Jetzt noch die steilen Serpentinen bergab gut anfahren und dann zurück zur Hauptstraße. So schwierig hätten wir uns die Fahrt nach Tuschetien nicht vorgestellt. Unser ULG ist, obwohl wir schon viel Gelände gefahren sind, eben kein richtiges Allradfahrzeug. Zu hoher Schwerpunkt, etwas zu schwer und die Starrachse mit Blattfedern hinten auch nicht optimal für schwerstes Gelände. Dafür haben wir aber ein komfortables Bett, einen gut gefüllten Kühlschrank und eine schöne heiße Dusche dabei.

Wehrdorf Shatili

Mit dem Blick auf die Landkarte ist unser nächstes Ziel klar und da es noch nicht spät ist am Tag fahren wir weiter. Unser Ziel ist Shatili. Ganz im Norden Georgiens an der Grenze zur russischen Teilrepublik Tschetschenien. Zunächst geht die Fahrt aber noch am riesigen Stausee Zhinvali entlang. Da wir fast wieder in der Ebene sind, ist es auch wieder richtig warm und das Außenthermometer zeigt 33 Grad an. Die Straße steigt leicht an und 50 Kilometer vor Shatilii endet der Asphalt. Die ersten Kilometer der Piste lassen sich sehr gut fahren und beim Blick ins weite Tal ist für uns klar, dass hier keine allzu großen fahrerischen Herausforderungen warten. Nach ein paar Kilometern steht plötzlich ein junger Mann in kurzen Hosen und T-Shirt am Pistenrand und hält den Daumen raus. Wir halten und sofort sprudelt es aus ihm heraus. „Sorry, please help, we need ride“. Und in dem Moment tauchen von links noch zwei Jungs auf, mit drei dicken Rucksäcken auf den Schultern. Die Jungs sehen ziemlich verzweifelt aus, sprechen schlecht Englisch und beruhigen sich ein bisschen als Joachim beginnt den ersten Rucksack einzuladen. Dann zwei Jungs auf die Sitzbank und der dritte darf auf dem Boden Platz nehmen. An Bord haben wir nun Passagiere aus Israel, gerade mit der Schule fertig und auf ihrer ersten Bergwanderung, die sie aufgrund des schlechten Wetters in alpiner Höhe abrechen mussten und abgestiegen sind. Ihr Kommentar „we almost died“. Nach ein paar Kilometern und dem guten Gefühl gerettet worden zu sein, entspannen sich die Mienen der Drei und sie konnten wieder lachen. Am Pass auf 2.696 Metern angekommen, laden wir die Rücksäcke aus, sie schnüren sich die Stiefel nochmal, wir schütteln Hände und sie können im Zeitplan ihre Wanderung fortsetzten.

Wir nehmen die Abfahrt nach Shatili und erfreuen uns an der Landschaft. Über die sanft geschwungenen saftig grünen Wiesen, an deren obersten Flanken riesige Schafherden ziehen. Am Spätnachmittag erreichen wir Shatili, suchen uns einen Stellplatz am Fluss und sind von dem dann doch langen Fahrtag ziemlich kaputt. Das Feierabendbier schmeckt dafür aber besonders gut und der Blick auf das verlassene Festungsdorf macht Vorfreude auf den kommenden Tag.

Ausgeruht und nach einem ausgiebigen Frühstück in der Sonne am rauschenden Bach, gehen wir die paar Meter am Fluss entlang und bestaunen zunächst das Festungsdorf von unten. Insgesamt ziehen sich an der Bergflanke 68 Häuser den Berg hinauf. Auf der Rückseite geschützt von einer gut 100 Meter hohen senkrechten Felswand. Die Häuser sind bis auf ganz wenige nicht mehr bewohnt. Die Weltbank hat die Renovierung etlicher Häuser bezahlt, sodass wir einen guten Eindruck gewinnen können, wie das Dorf an dieser strategischen Stelle die Georgier vor den immer wieder einfallenden Tschetschenen bewahren konnte. Leider sind nicht mehr alle Mauern erhalten, sodass etwas Fantasie nötig ist, um sich die ganze Wehranlage vorzustellen. Am obersten Haus angekommen freuen wir uns, dass es ein kleines Café gibt und so machen wir mit tollem Blick Pause bevor es zurück geht.

Auf dem Weg zurück schauen wir noch in der Touristeninformation vorbei. Und sehen, dass diese mit deutschem Geld gebaut wurde und der Botschafter sogar zur Einweihung kam. Ein tolles Gebäude. Holz, Stahl, Glas, ganz modern, wie heute eben gebaut wird im alpinen Raum. Mit drei Stockwerken aber völlig überdimensioniert und sogar nicht eingepasst in die Umgebung und mit wahrscheinlich der einzigen Behindertentoilette im Umkreis von 200 Kilometern. Was für ein Unterschied zu den Plumpsklos der wenigen Einwohner von Shatili.

Am späteren Nachmittag machen wir uns mit den Fahrrädern auf den 11 Kilometer langen Weg in ein weiteres, noch abgelegeneres Wehrdorf – Mutso. An einer kleinen Abzweigung nach Norden steht ein großes Schild mit roter Schrift auf gelben Grund. „No Entry – Border Area“. Hinter dem Bergrücken liegt Tschetschenien. In Mutso endet die Piste praktisch und das Wehrdorf klebt so weit oben am Hang, dass uns ein Blick nach oben reichen muss. Zudem zieht es sich zu und in der Ferne donnert es auch. Da es fast nur bergab geht, sind wir recht schnell wieder am Camper und das Gewitter hat sich auch verzogen. Ein rundum toller Abstecher in eine Bergregion die wir ursprünglich gar nicht besuchen wollten.

Stepansminda (großer Kaukasus Teil 2)

Bei herrlichem Sonnenschein verabschieden wir uns aus Shatili und fahren über die Piste die 50 Kilometer zurück zum Asphalt. Wie so oft sieht die Landschaft verändert aus, wenn man aus einer anderen Richtung kommt und die Tageszeit eine andere ist. Die satten grünen Bergflanken leuchten in einem anderen Grün, als auf der Herfahrt. Auch der Blick vom Pass nach Süden geht heute weiter, da keine Wolken auf dem gegenüberliegenden Bergmassiv hängen. Die letzten paar hundert Meter bis zum Asphalt sind dann nochmal gespickt mit Schlaglöchern. Eine elende Kurverei im Schritttempo, der wir jetzt überdrüssig sind. Dann wieder entlang des Stausees, und auf die georgische Heerstraße eingefädelt, die nach Norden führt. Schon auf der Herfahrt von Tbilisi aus haben wir den riesigen LKW-Parkplatz, bestimmt vier Fußballfelder groß und komplett zugeparkt gesehen. Alles Waren die für Russland bestimmt sind. Wir sind gespannt wie die Fahrt in die Berge wohl so wird. Die georgische Heerstraße, wie der Name sagt, eine ursprüngliche Militärstraße, überwindet gut 2.000 Höhenmeter bis zum Kreuzpass (2379 m) und ist die einzige Straße die von Georgien nach Russland führt. Viele Russen sind auf dem Heimweg und so muss man es sagen, einige fahren wie die „Geisteskranken“. Vorzugsweise im dicken Mercedes oder BMW. Drängeln, andere Fahrer nötigen, bringen sich und andere in Gefahr, überholen an völlig uneinsichtigen Stellen. Wir schütteln nur den Kopf und wenn einer von hinten angerast kommt, lassen wir genug Platz zum Vordermann, sodass die Idioten auch einscheren können. So richtig heftig wird der Verkehr aber erst, als es in die Serpentinen geht. Dort sehen wir die ersten Brückenpfeiler einer neuen Autobahnbrücke mit dazugehörigem Tunnelportal. Das Ganze wird gebaut von der China Railway Construction. Das Investment vorgestreckt als Kredit von China und der Europäischen Aufbaubank beläuft sich auf 400 Millionen Euro. Die ersten Serpentinen sind noch recht weit und breit. So können die Lkw recht zügig durchfahren, auch wenn sich zwei Sattelschlepper begegnen. Als die Straße dann aber schmäler wird und zudem steiler, kommt der Verkehr zu einem Stillstand. Bergauf wie bergab. Zentimeterweise zirkeln die Lkw aneinander vorbei. Dann beschleunigen sie ganz langsam mit ihren mitunter sicherlich über 40 Tonnen Gesamtgewicht. Die ersten Bekloppten sind dann auch schon wieder am Überholen und hoffen dann nach 100 Meter Sprint irgendwie eine Lücke zu finden. An einer steilen Stelle hat dann ein LKW aufgegeben. Er steht auf der Fahrbahn und irgendwie müssen alle an dieser Stelle vorbei. Irgendwann sind dann auch wir dran und danach läuft es besser.

Jetzt haben wir auch Zeit in die Landschaft zu schauen. Grün die Bergflanken, hatten wir heute schon mal, nur dass das Wetter hier schlechter wird und auf den Bergspitzen sich die Wolken stauen. Da Stepantsminda mit der Gergeti Kirche und dem Kazbegi Berg ein Höhepunkt einer Georgienreise darstellt, sind auch viele Touristen unterwegs. Vor allem aus den arabischen Ländern. Leicht abzulesen an den Werbeschildern für Halal geschlachtete Schafe am Straßenrand, den Familienzelten für den sofortigen Verzehr und den Frauen die eine schwarzen Nikab tragen. Am Monument für die russisch – georgische Freundschaft fahren wir vorbei. Das schauen wir uns auf dem Rückweg an, wir sind heute schon genug gefahren. Hinter dem Pass geht es in weiten und sanften Serpentinen bergab, sodass wir recht zügig Stepantsminda erreichen. Durchqueren den Ort heute nur und fahren hinauf zur Gergeti Kirche. Ist zwar heute schon spät, da es morgen aber regnen soll, schließen wir den Tag mit der Besichtigung ab. Die Kirche thront über dem Tal und die Lage ist schon imposant. Allerdings sind Bilder die wir vor der Reise gesehen haben, alle mit einer Drohne entstanden, sodass der tatsächliche Eindruck dann etwas enttäuscht. Die Kirche selbst ist im georgischen Vergleich nichts Besonderes. Da haben wir schon bewegendere Kirchenbauten gesehen. Vielleicht liegt es an der Vielzahl der Touristen, dass keine Atmosphäre aufkommt. Nun denn. Zurück zum ULG, heiß Duschen, Essen machen und wir haben Glück. Auf einmal steht der Kazbegi ohne Wolken vor uns. Imposant wie er da so alleine über uns und der Kirche thront.

Der Wetterbericht verheißt nichts Gutes. Wir entscheiden uns auf der anderen Talseite am Hang einen Stellplatz für die nächsten beiden Tage zu suchen. Und wir finden einen tollen Platz. Auf einer kleinen Wiese, umgeben von Kiefern und mit Blick auf Kirche und den Berg. Sonne – Wolken – Regen. Alles dabei.

Beim Blick in die Wettervorhersage entschließen wir uns wieder zurück über den Pass in tiefere Gefilde zu fahren, dort dann auch kein Regen mehr. Allerdings fahren wir noch die paar Kilometer bis zur russisch-georgischen Grenze. Auch hier stehen wieder hunderte LKW die auf die Zollabfertigung warten. Uns überrascht ein ganz neues Kloster in Sichtweite der Grenze. Wir vermuten ein Hinweis für die russischen Touristen, dass die Georgier ihre eigene Religion und damit Kultur haben.

Ein ganz zwiespältiges Denkmal steht dann hinter dem Pass auf seiner Südseite. Das russisch-georgische Freundschaftsdenkmal für 200 Jahre „Freundschaft“. Gebaut im Jahr 1983 und gerade mal 8 Jahre später war es dann vorbei mit der von Russen dominierten Sowjetunion. Zentrale Abbildung ist eine freundliche Frau – Mütterchen Russland hält einen kleinen schutzbedürftigen Jungen – Georgien in den Armen. Dazu noch eine Friedenstaube. Mehr Hohn angesichts der tatsächlichen Geschichte geht kaum. Uns würde brennend interessieren, was die Russen hier so denken und auch was den Georgiern so durch den Kopf. Für die restlichen internationalen Touristen ist es vor allem ein Spot für Selfies und der Weg von und zum Denkmal gleicht eher einem Rummelplatz und ist einem so geschichtsträchtigen Ort nicht würdig.

Wir fahren weiter Richtung Süden den Berg hinab und fragen uns: Wo sind die LKW´s, was ist mit Verkehrsstau? Nichts davon, wir fahren einfach so gemütlich den Berg hinunter. Kein Vergleich mit der quälenden Fahrt vor ein paar Tagen. Kurz bevor der Fluss in den Stausee mündet überqueren wir diesen auf einer kleinen Brücke, fahren auf einer Schlaglochpiste noch ein paar Kilometer und finden dann am Ufer des Stausees, direkt gegenüber des Ananuri Klosters einen herrlichen Platz, wo wir gut zwei Tage stehen können. Und die Sonne scheint und es ist wunderbar warm.

Das Ananuri Kloster selbst schauen wir uns bei der Weiterfahrt 2 Tage später an. Eine beindruckende Anlage mit kompletter Mauer umgeben, eine wehrhafte Festung. Die Kirche innen eher schlicht, aber an der Fassade mit interessanten Reliefen und einer Wand in georgischer alter Schrift.

Zwei Wanderer aus Osnabrück

Heute Morgen klappt es, nachdem unsere Freunde leider einen Tag später erst anreisen können. Ihr Flug wurde abgesagt, wegen sehr schlechtem Wetter am Flughafen München. Punkt 6:00 fahren wir am Flughafen Tbilisi vor. Claudia und Stefan sehen uns zuerst. Claudia hüpft vor Freude, wir halten an, steigen aus und Claudia nimmt Anke in den Arm und will sie fast nicht mehr loslassen. Halten ist hier im Ankunftsbereich an sich nicht vorgesehen und so laden wir schnell die Rücksäcke der beiden ein und fahren unserem Frühstückziel entgegen. Hoch oben über Mtskheta, mit Blick auf die Krönungskirche der georgischen Könige packen wir Tisch und Stühle aus und frühstücken erst einmal gemeinsam. Dann weiter Richtung Westen nach Kutaissi und dort fahren wir rauf zum Gelati Kloster. Für uns das zweite Mal, aber nicht weniger beeindruckend die Wandmalereien als beim ersten Mal. Die große Kirche ist geschlossen und auf dem ganzen Klostergelände wird ein riesiges Gerüst aufgebaut. Praktisch sollten wir auch nicht hier drin sein, sind aber durch einen Hintereingang rein. Als uns ein Mönch zu Gesicht bekommt, gibt er uns zu verstehen: „Raus hier“ und begleitet uns nach draußen und schließt das Stahltor hinter uns ab.

Unser Ziel für heute ist ein Homestay am Südabhang des großen Kaukasus, in der Nähe des Ausgangspunktes der Wanderung von Claudia und Stefan, die einen Teil des „Trans-Caucasian-Trail“ laufen wollen und werden. Details von der Wanderung dann hier: http://www.hikingexperience.net. Wir bekommen von Gastgeberin Marina noch ein einfaches Abendessen, setzten uns dann noch im Hof zusammen und lassen den Tag bei einer Flasche Rotwein und Schokolade ausklingen. Alle sind müde und um 22:00 ist ein anstrengender Tag zu Ende. Am nächsten Morgen haben die beiden dann ihre Rucksäcke gepackt, jetzt mit der speziellen Wandernahrung, Haferflocken und starkem Kaffeepulver. Ein großer Beutel der seit Mitte Mai mit uns gefahren ist, wie auch ihre Stöcke und Gaskartuschen zum Kochen. Jetzt noch mit dem ULG gut drei Kilometer zum Ausgangspunkt der Wanderung. Dort ein kurzer und emotionaler Abschied, die beiden laufen los und verschwinden im Wald. Wir machen uns auf den Weg nach Süden.

Festung Akhaltsikhe

Im Reiseführer hatten wir von einer Burganlage in Akhaltsikhe gelesen. Die Renovierung sei fast etwas zu kulissenhaft ausgefallen und so weniger attraktiv. Schon am Ortseingang können wir die riesige Festung auf dem Hügel über der Stadt sehen. Also von der Ferne sieht das in unseren Augen gut aus. Dann betreten wir die Anlage durch eines der beiden Doppeltore. Riesige massive Wehrtürme die wohl viele Feinde abgeschreckt und abgehalten hat. Im Inneren dann ein großer Hof mit ein paar Cafés und einem Hotel. Nicht ganz stilecht für eine Burganlage aus dem 16. Jahrhundert. Unser Blick geht bis hinauf zum Burgfried. Aber erst noch eine steile und schmale Treppe hinauf und dort ein Ensemble verschiedenster Gebäude. Wir sind total überrascht. Ein Pavillon in dessen Mitte ein europäisch anmutender Springbrunnen vor sich hin plätschert. Keine 20 Meter weiter eine Wandelhalle im maurischen Stil mit Säulen aus weißem Marmor und davor ebenfalls aus weißem Marmor ein rechteckiges Wasserbecken. Schräg gegenüber dann die den Platz beherrschende Moschee, mit ihrer großen in der Sonne golden glänzenden Kuppel. Für den Besucher sind alle Festungsmauern begehbar, sodass wir die ganze Anlage von oben aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten können. Uns gefällt die Anlage außerordentlich gut. Alle Gebäude sind vorhanden, sodass wir nicht wie so oft die Fantasie bemühen müssen, wie die Ruinen anderer Stätten einstmals vielleicht ausgesehen haben könnten. Zum Abschluss hinauf auf den alles überragenden Turm der Zitadelle. Von hier ein allumfassender Blick auf die Festung und die sie umgebende Landschaft, die schon sehr hochsommerlich ausgedörrt vor uns liegt. Und wie in den vergangenen Wochen überrascht uns Georgien ein weiteres Mal.

Höhlenstadt Vardzia

Wir fahren weiter Richtung Armenien und freuen uns auf die Höhlenstadt Vardzia, die im Dreieck Georgien, Armenien, Türkei liegt. Auf den Weg dorthin folgen wir einem Fluss der sich malerisch in dem langsam immer enger werdenden Tal entlang schlängelt. Die umgebenden Hügel schon von der sommerlichen Sonne verbrannt. Am Fluss stehen flache Bäume mit dichtem grünem Laub und direkt an der Straße riesige Pappeln. Die Straße ist leider ziemlich schlecht, den vielen LKW geschuldet da hier die jeweiligen Grenzorte nur wenige Kilometer entfernt liegen. Nach der Abzweigung nach Vardzia wird die Straße besser und nach weiteren 20 Kilometer sehen wir die Höhlenstadt, am gegenüber liegenden Hang. Da schon Spätnachmittag ist, suchen wir uns einen Platz mit perfektem Blick auf die Höhlenstadt und die senkrechte Felswand darüber und beobachten wie sich mit dem Lauf der langsamen untergehenden Sonne die Schattierungen im Fels ändern. Weit nach Sonnenuntergang wird die Anlage dann auch noch beleuchtet. Wir stehen auf 1.200 Meter Meereshöhe und so kühlt es dann abends und nachts auch ab und wir können bei angenehmen Temperaturen gut schlafen.

Am nächsten Morgen stehen wir um 10:00 am Kassenhäuschen und sind praktisch die ersten, die die Höhlenstadt Vardzia betreten können. Als Kloster und Festung im 12. Jahrhundert angelegt und 1552 von den Türken zerstört, sind heute nur noch die leeren, in den Fels gehauenen Räume, zu besichtigen. Alles in luftiger Höhe. Was die Georgier aber wieder aufgebaut haben, ist die Mariä-Himmelfahrt Kirche, die ebenfalls, in einem, aus dem Fels gehauenen Raum liegt. Uns begeistern die Wandmalereien. Hier ist besonders neben den christlichen Malereien des neuen Testaments, die überlebensgroßen Bilder von König Giorgi und der in Georgien sehr verehrten Königin Tamar zu sehen. So früh am Tag sind wir die einzigen in der kleinen Kirche und können die besondere Atmosphäre genießen. Auffallend, es können keine Kerzen geopfert werden. Dafür säubert ein Mönch mit einem Lappen noch schnell die Glasplatte mit der darunter liegenden Ikone, damit die Gläubigen auch sauber darauf küssen können. Von der Kirche aus ziehen sich die Höhlen weiter am Hang entlang. Alle leer und nur mit viel Fantasie lässt sich vorstellen, was in den Räumen einst vor sich ging. Am Ende des Steilhangs führt dann eine schmale, in den Fels gehauene Stiege, wieder hinunter an den Fuß des Hangs.

Mit so vielen Eindrücken machen wir uns auf die letzte Etappe Richtung Armenien. Bevor wir die Grenze überqueren, suchen wir uns noch ein schönes Plätzchen mitten in einer Blumenwiese mit Blick auf die erloschenen Vulkane des Javakheti Gebirgszuges.

NACHTRAG

Ein Land in der Zwickmühle

Wer aufmerksam durch Georgien fährt, kann überall an Hauswänden Graffitis sehen mit dem Spruch „we are EU“. Oft zu sehen ist auch das Duo aus EU-Flagge und georgischer Flagge die gemeinsam am Mast wehen. Auch so am Parlament in Tbilisi. Hin und wieder auch in Kombination mit den gelb-blauen Farben der Ukraine. Und das ist dann auch schon die Zwickmühle in der sich Georgien befindet. Weite Teile der Bevölkerung will nach Westen und der Westen heißt EU und dann im Weiteren auch die NATO. Georgien war und ist seit Bestehen dem russischen Imperialismus ausgesetzt und hat dabei fürchterlich gelitten. Ein Volk das heute 3,5 Millionen Menschen umfasst und versucht, sich dem russischen Anspruch in ihrem Land zu bestimmen, zu entziehen. Bei der Gründung der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) 1992 wollten vier Länder nicht mitmachen. Die Balten und Georgien. Unser Eindruck – die Menschen haben genug und wollen selbst bestimmen, wie es mit ihnen in die Zukunft gehen soll. Der letzte Versuch mehr Unabhängigkeit von Russland zu bekommen wurde seitens Putin und seiner Gehilfen, allen voran Medwedew, im Jahr 2008 mit einem Krieg unterbunden. Im April 2008 stellt Georgien einen Antrag auf Beitritt zur EU, der angenommen wurde, und auch zur NATO. Russland kritisierte dies massiv. Diese Worte wurden im Westen nicht verstanden oder ignoriert oder sowohl EU als auch Georgien haben es darauf ankommen lassen. Der Westen hatte ja auch nichts zu verlieren. Im Sommer haben dann die Amerikaner mit den Georgiern noch ein gemeinsames Militärmanöver abgehalten, was die Russen veranlasst hat, ebenfalls ein Manöver an der georgischen Nordgrenze abzuhalten. Einen Zusammenhang mit einem möglichen EU/NATO Beitritt wurde seitens Russlands abgestritten. Dieses Muster kennen wir heute aus dem Februar 2022. Kaum waren die Amerikaner weg, sind die Russen einmarschiert. Das ist die ganze kurze Version der Geschichte. Das Resultat dieser fünf Tage Krieg: Hundertausende wurden vertrieben, Tote und Verletze und zwei georgische Bundesländer die nun unter russischen Einfluss stehen. Es werden zum Beispiel russische Reisepässe ausgegeben. Territorialverlust für Georgien: 22% der Landesfläche. Und im März 2023 erklärte Medwedew Russland kann sich auch vorstellen die beiden Gebiete, Abchasien und Ossetien, ins russische Reich final einzugliedern. Aus Sicht der Georgier verspricht also ein EU – NATO Beitritt Sicherheit. Kann und will der Westen das aber leisten? Würde Russland erneut militärisch eingreifen?

Selbst wenn ein EU-Beitritt das gemeinsame Ziel wäre, würde es Jahre dauern bis die georgische Bürokratie alle Voraussetzung erfüllt hätte, um in allen Bereichen EU konform zu arbeiten. Bei der Geschäftsreise von Joachim im Februar 2024 nach Tbilisi, hatte er die Möglichkeit seinen jüngeren Gesprächspartnern in groben Zügen zu erklären, was ein EU-Beitritt für Veränderung nötig machen würde. Z.B. co2 Ziele, x% der Landesfläche als Nationalpark ausweisen, Abgasvorschriften für Fahrzeuge, Regelungen für Medizinprodukte, etc.. Dazu alle georgischen Zoll- und Handelsabkommen mit anderen Staaten obsolet, dafür dann die EU Außen-Handelsverträge. Er sah dann in sehr nachdenkliche Gesichter.

Aktuell kommt noch eines hinzu. Georgien lässt freien Handel mit Russland zu. Beteiligt sich praktisch nicht an den EU-Sanktionen. Wir haben die hunderten LKW mit eigenen Augen gesehen, die sich am einzigen Grenzübergang von Georgien nach Russland stauen. Ganz sicher transportieren diese auch Waren die auf der EU-Sanktionsliste stehen bzw. von den deutschen Herstellern nicht mehr nach Russland verkauft werden. Die funkelnagelneuen Mercedes G und BMW X 6, die einzeln huckepack Richtung Grenze fahren, passen so ins Bild. Der deutsche Export nach Georgien ist von 2022 auf 2023 um 40% gestiegen und gleichzeitig der gesamte georgische Reexport um 46%! Aus Russland kommt sichtbar per LKW das LPG, mit dem die Autos fahren und mit dem in den Häusern gekocht und geheizt wird.

Ein Land in der Zwickmühle!

Was uns sonst noch aufgefallen ist!

Die Hunde – Es lassen sich vier Kategorien von Hunden finden:

Die Hunde der anderen Reisenden

Diese waren in der Hundeschule mehr oder weniger aufmerksam, machen also entweder was sie wollen oder machen was „Herrchen oder Frauchen“ will. Meistens ersteres. Für uns also nichts Neues.

Die Stadthunde

Optisch an ihrem Knopf im Ohr gut zu erkennen. Sie liegen überall rum, wirklich überall. Im Supermarkteingang, vor dem Geldautomat oder tatsächlich am Dog Parking. Sie kümmern sich um nichts und niemand und sind nur darauf aus, Futter abzustauben. Was auch klappt, denn alle sehen gut genährt aus. Vom Wesen her zurückhaltend und mit einem „geh woanders hin“ meist zufrieden und ziehen dann auch zum Nächsten weiter und versuchen dann dort Futter abzubekommen.

Die Hütehunde für die Kühe

Auch meist mit einem Knopf im Ohr passen sie auf, dass die Kühe am Morgen auf ihre Tour gehen und unterwegs genug Gras finden. Am Abend dann retour. Verträgliche Hunde, die ihre Arbeit lässig erledigen. Und in der Zwischenzeit die Camper belagern, um zu sehen ob es nicht etwas zu fressen abfällt. Mitunter legen sie sich auch direkt vor die Schiebetüre und sind nicht dazu zu bewegen den Platz freizumachen. Dann heißt es drüben steigen oder einfach warten, denn früher oder später ziehen sie mit den Kühen weiter.

Die Hütehunde für die Schafe

Das sind richtig scharf abgerichtete Hütehunde. Richtige große massive weiße langbeinige Hunde. Einer davon hat uns attackiert und zum Glück hatten wir das Fahrrad dabei, sodass wir dem gefletschten Maul etwas entgegenhalten konnten. Mit einer paar Mal in den Hinterreifen beißen war es dann glücklicherweise getan und wir konnten aus dem Hüte Bereich entkommen.

Georgien, das Land der fehlenden Stoßstangen

Was im Straßenbild oder auf der Fahrt von A nach B auffällt. Das sind die Autos die ohne Stoßstange auskommen müssen. Vorne wie hinten. Oftmals fehlen diese an den großen und ehemals auch teuren Limousinen oder SUV. Zumeist bei den Herstellern aus Deutschland. Grund dafür: Auffahrunfall und kein Geld für den teuren Ersatz.