Katar 2024/2025
Autoren: Anke und Joachim
Datum: November 2024
Das Emirat Katar und was man mit Geld alles machen
Und wieder fahren wir auf die Grenze zu. Und wieder die Frage, wie lange es wohl hier dauern wird, bis wir aus Saudi-Arabien ausgereist und in Katar eingereist sind. Unseren EU Schengen Raum mit freiem Grenzverkehr kann man gar nicht hoch genug einschätzen und dazu noch die Gültigkeit einer grünen KFZ-Versicherungskarte für Europa.
Es ist schon früher Nachmittag und wenig los, als wir zur Grenze kommen. So brauchen wir gut eine Stunde und fahren nach dem letzten Check Point auf eine zehnspurige Autobahn mit Seitenstreifen. Wir fragen uns für welchen Verkehr. Und der Asphalt ist glatt und so rauschen wir mit 120 Km/h Richtung Doha, die Hauptstadt des Emirats Katar, in der wir mit dem letzten Tageslicht ankommen. Auch hier mehrspurige Straßen die den Feierabendverkehr locker aufnehmen. Uns fällt auf, dass wesentlich ordentlicher gefahren wird, im Vergleich zu den bisher bereisten Ländern. Wenn die Ampel Orange zeigt wird gebremst, keiner fährt auf eine Kreuzung, wenn dort kein Platz ist. Der Grund: An jeder Kreuzung stehen Rotlichtblitzer-Säulen und zwar für jede Richtung und Geschwindigkeits-Blitzer gibt es auch reichlich. Was hier von einigen motivierten Fahrern gerne gezeigt wird, ist das Kreuzen auf den mehrspurigen Straßen von der ganz linken Spur scharf rechts rüber, um dann die Ausfahrt gerade noch zu schaffen. Wir sind es mittlerweile gewöhnt und wundern uns nicht mehr.
Für die nächsten Tage steuern wir eine riesige Brachfläche mitten in der Stadt an, die als Parkplatz genutzt wird, wo wir den ULG gut abstellen und wir ruhige Nächte verbringen können. Der Platz hat noch weitere Vorteile. Eine Metrostation ist in Laufweite und das Nationalmuseum liegt in Sichtweite. Das wenige, was wir vom Parkplatz aus vom Museum sehen können, ist so anziehend, dass wir auch gleich los gehen und staunen, als wir davorstehen. Der dunkelblaue Nachthimmel bringt die von einer Sandrose inspirierte Architektur voll zu Geltung. Dazu trägt bei, eine Beleuchtung, welche die Architektur in ein faszinierendes Spiel aus Licht und Schatten versetzt. Um in den großen Innenhof des Museumkomplexes zu gelangen folgen wir den im Boden eingelassenen Leuchtpunkten durch zwei Durchgänge. Diese geben den Blick frei auf den ebenfalls integrierten historischen Teil des Museums. Es ist der alte Palast von Sheik Abdullah bin Jassim Al Thani, dem Herrscher von Katar, aus dem frühen 20. Jahrhundert. Dem gegenüber erhebt sich das eigentliche Museum. Mit jedem Meter den wir im großen Innenhof gehen, eröffnen sich neue Perspektiven auf die faszinierende Architektur die bis in den letzten Winkel das Motiv der Sandrose beibehält. Wir setzen uns auf ein paar Stufen und kommen aus dem Staunen nicht heraus. Da es schon spät ist, verschieben wir den Museumsbesuch auf morgen. Was man mit Geld alles machen kann.
Tags drauf nehmen wir die 2019 eröffnete Metro zum Souk Waqif und staunen auch hier nicht schlecht. Über mehrere Rolltreppen geht es in den Untergrund. Zunächst brauchen wir aber eine Fahrkarte. Wir fragen an der Information, die Dame ruft etwas zu einem Kollegen der am Fahrkartenautomaten steht und auf Leute wie uns wartet. Wir sind noch nicht bei ihm angekommen, da hat er schon die richtigen Tasten gedrückt. Tageskarte für 1,50 € pro Person. Bevor wir den Zug nehmen noch schnell zur Toilette. Zumindest auf den Schildern herrscht hier Gleichberechtigung, was das Wickeln der Babys an betrifft. Auch hier, alles blitzblank sauber und Joachim freut sich über die Urinale von Duravit, alter Berufsblick. Die Züge auch pikobello sauber und in drei Kategorien aufgeteilt. „Standard“ für alle Fahrgäste, „Family“ für Familien und „Gold“ mit schicken Einzelsitzen für diejenigen, die sich was leisten wollen oder sich separieren wollen. Die Züge aus Japan, fahrerlos und im fünf Minuten Takt. Wir sind schwer beeindruckt. Was man mit Geld alles machen kann.
Der Souk Waqif stellt sich zunächst als große Flaniermeile mit unzähligen Restaurants und Cafés dar. Wir mischen uns unter die doch zahlreichen Touristen aus aller Herren Länder, wie wir an den gesprochenen Sprachen hören können. Wir nehmen Paltz in einem Café, bestellen Tee und Cappuccino, dazu noch einen bequemen Caféhausstuhl und wir haben alle Zeit der Welt die Leute zu beobachten. Die Touristen, die vielen vor allem asiatischen Gastarbeiter und die ganz wenigen einheimischen Kataris. Was uns sogleich auffällt im Gegensatz zu Saudi-Arabien oder Kuwait: In Katar scheint es keine allgemein verbindliche Bekleidungsvorschrift zu geben. Männer können in Bermudas gehen und die Frauen in Röcken und schulterfrei. In den anderen Ländern völlig undenkbar. Formel 1 und Fußball Weltmeisterschaft haben hier deutliche Spuren hinterlassen. Wir schlendern durch die angrenzenden Teile des Souk mit Souvenirshops, Antiquitätenläden, aber auch Bekleidung, Schuhe, Haushaltswaren und weiteren Dinge des täglichen Lebens.
Dazu scheint auch der Falcon Souk zu gehören. In einigen Geschäften können Falken und Zubehör gekauft werden. Die verschiedenen Falken sitzen fast ausnahmslos mit einer Ledermaske über den Augen auf einer Stange und sind mit einer Schnur um die Beine an die Stange gebunden. Scheinbar vertragen die Falken diese Behandlung, aber für uns sieht das nicht wirklich tiergerecht aus.
Wir gehen weiter und treffen auf einen Stall in dem rund 30 Kamele stehen oder liegen. Was machen die hier mitten in der Stadt? Wir können uns keinen Reim darauf machen, können aber hier so ganz nah an die Kamele herangehen. Zurück in den Souk, noch einen kleinen Happen zum Mittag und dann mit der Metro zur Nationalgalerie.
Im Tageslicht erscheint uns die Sandrosen-Architektur des Nationalmuseums, gebaut von einem Franzosen, immer noch spektakulär, gegen den Nachthimmel schien es uns beeindruckender. 10 € pro Person Eintritt schnell mit der Kreditkarte bezahlt und der erste Eindruck im Innern. Kalt, keine 20 Grad. Also gleich die mitgebrachten Sweatshirts übergezogen. Was als nächstes ins Auge fällt ist die Sandrosen Architektur, die sich auch ins Innere fortsetzt. Ausgestellt wird jeder Aspekt des katarischen Seins. Fauna und Flora, in der Wüste und im Meer. Weitere Räume zeigen die Kultur und das tägliche Leben der Beduinen von einst. Wobei „einst“ gerade mal zwei Generationen her ist. Viel Raum wird der Perlenfischerei eingeräumt. Bis dem Japaner Mikimoto die Perlenzucht gelang, war die Perlenfischerei die Haupteinnahmequelle der Kataris. Bis 1976 wurden die Muscheln noch ohne Flaschen und Taucherbrille vom Meeresboden gesammelt. Wir lesen eine Zahl die wir kaum glauben können. Um eine Muschel mit Perle zu finden, müssen 5.000 Muscheln getaucht und geöffnet und dann im Meer entsorgt werden. Die Männer waren mitunter vier bis sechs Wochen am Stück auf dem Meer. Von anderen Dhows mit Wasser und Lebensmitteln versorgt. Im letzten Teil des Museums wird die Geschichte der Halbinsel präsentiert. Wie in vielen Museen, wenn sie wirklich gut gemacht sind, ist es fast unmöglich alle Exponate zu würdigen. So auch hier. Nach gut zwei Stunden sind wir so angefüllt mit Eindrücken und verlassen zufrieden die Ausstellung. Der Weg nach draußen führt noch durch den ins moderne Museum integrierten historischen Palast von Sheik Al Thani.
Da wir einen anderen Teil der Stadt uns anschauen wollen, parken wir den ULG um. Wir fahren zu einer Brachfläche direkt am Meer gelegen. Zwischen dem Hilton Hotel zur rechten, der französischen Botschaft zur Linken und der Corniche hinter uns. Doha ist so unglaublich sauber, dass wir hier mitten in der Stadt im Meer baden können, Joachim jedenfalls. So wie die Bewohner, die in den umliegenden Hochhäusern wohnen. Auch interessant, dass täglich die Müllabfuhr den Platz anfährt und zusätzlich eine Art Platzwächter auch Müll einsammelt. Wir laden die Fahrräder ab, ein kurzer technischer Check und dann los auf dem perfekten Radweg die Corniche entlang. Links das Meer und die fünf Sterne Hotels und rechts die beeindruckenden Hochhäuser. Bei Joachims erster Geschäftsreise nach Doha 1997 stand noch kein einziges Hochhaus hier. Nur das Sheraton Hotel das sich heute in der Skyline fast verliert. Der Radweg verläuft über weite Strecken im Grünen. Es blüht und grünt äußerts üppig, fast wie in den Tropen. Kaum zu glauben in einer Stadt zu sein, die in der Wüste liegt. Möglich macht es die künstliche Bewässerung. Wir machen uns schlau. Katar ist das Land mit der höchsten Produktion von entsalzenem Meerwasser. Knapp 800 Liter pro Einwohner in 24 Stunden. Bei rund 3,0 Millionen Einwohnern kommt da ganz schön viel Wasser zusammen. Was man mit Geld alles machen kann.
Es geht an der Bucht entlang, vorbei am Regierungssitz, dem Parlament und der zugehörigen großen Moschee. Vor den Gebäuden ebenfalls gepflegter Rasen und da staunen wir nicht schlecht. Da sind doch die Kamele von gestern in Aktion. Rund 30 Mann auf Kamelen reiten in einer Art Wachablösung vor den Gebäuden ein paar Runden. Kamele auf saftig grünem Rasen, ein sehr spezieller Anblick.
Wir radeln weiter zum Museum für islamische Kunst, das auch der Expansion des Islam ein Stück weit gewidmet ist. Ebenfalls ein architektonisches Meisterwerk, eines in diesem Fall chinesischen Architekten. Gebaut aufs Wasser hinaus, mit dem Gedanken des Austausches der Kulturen über das Meer und der Verbreitung des Islam. Dass diese sich fast immer mit dem Schwert in der Hand vollzog, wird im Museum nicht thematisiert. Auch die Rolle der Araber beim Sklavenhandel in Ostafrika findet nicht statt. Auch kein Wort warum die unterschwellig, als überlegen dargestellte Religion mit ihrer mannigfaltigen Kunst ab dem 18. Jahrhundert nicht mehr die, aus arabischer Sicht, Vormacht in der Welt innehatte. Die ausgestellten Kunstwerke sind von einer Bedeutung, Schönheit und Pracht, wie sie es wohl nicht oft in der Welt geben dürfte. Bücher weit über 1.000 Jahre alt mit dem damals gesammelten medizinischen Wissen. Schmuck aus allen Teilen der islamischen Welt. Von Marokko bis nach Indien und Südostasien. Keramiken aus Zentralasien. Teppiche aus allen Teilen der islamischen Welt. Aber auch die Waffen, die die Expansion ermöglichten. Lanzen, Schwerter, Pfeil und Bogen, Rüstungen und Gewehre. Kaum möglich während eines Besuchs alles zu erfassen.
Den Tag lassen wir in einem wunderbaren Fischrestaurant im Alten Hafen ausklingen. Wir bestellen einige kleine Gerichte und können so wenigstens einen Teil des reichen Angebots probieren. Vom alten Hafen sind es dann allerdings noch gut 10 Kilometer zurück zum Auto, auf dem Radweg kein Problem. Und jetzt im Dunkeln ist die Fahrt mit den bunt leuchtenden Hochhäusern, die wir immer im Blick haben, ein fantastischer Abschluss des Tages.
Nach so vielen Eindrücken brauchen wir ein paar ruhige Tage. Also auf an den Strand. Wir entscheiden uns für den Azerbaidjani Beach. Komischer Name, aber sei es drum. Hier kommen viele westliche Expats an den Strand und so könnte Anke auch im Badeanzug ins Meer. Wird aber nichts draus. Es windet heftig und dadurch hat sich die Luft auch merklich abgekühlt. Wir haben nur noch 24 Grad und das Wasser vielleicht frische 20 Grad. Wegen des starken Winds verzichten wir auf das Schwimmen im Meer. Der Blick auf das türkisene Wasser in verschiedenen Abstufungen ist genau das was wir gesucht haben.
Draußen sitzen geht nur im Windschatten des Sprinters und Abendessen wird im Sprinter serviert. Wir hatten noch reichlich eingekauft und so gibt es am ersten Abend zwei herrliche Steaks von der Plancha. Diesmal aus Brasilien. In den Supermärkten wird die jeweilige Herkunft des Fleisches immer mit angegeben. Australien, Neuseeland, Südafrika, Indien oder eben auch Brasilien. Dann noch die Information ob Vakuumverpackt oder aufgetaut. In den großen Supermärkten zeigt sich zudem im Angebot die Vielfalt der Einwohner von Katar. Obst und Gemüse aus Indien, Afrika und Asien, die wir noch nie gegessen haben. Zwei Tage gehen so dahin. Lesen, am Strand spazieren, Kaffee und Kuchen und aufs Meer schauen.
Um unseren Katarbesuch abzurunden, fahren wir ganz in den Norden nach Al Zubarah, um dort das einzige Katars zu besichtigen. Leider ist das Museum noch nicht eröffnet und die archäologische Stätte ist auch nur etwas für Archäologen. Daher besichtigen wir das 1938 erbaute Fort Al Zubarah, welches in unseren Augen stimmig renoviert ist. In den innenliegenden Räumen finden sich Informationen zur Weltkulturerbestätte. Die Bedeutung ergibt sich aus der Perlenfischerei, dem daraus resultierenden Handel weit über den Persischen Golf hinaus und der Handel ins Landesinnere hinein. Die Handelsstadt Al Zubarah gilt darüber hinaus als typische Keimzelle für die heutigen Emirate am Golf.
Allerdings nur was ihre Herrscherhäuser angeht und die regionale Abgrenzung untereinander. Ohne Öl und Gas, die vielen Gastarbeiter aus Asien und westliche Expats, sähe die Welt am Golf ganz anders aus. Die Verteilung der Bevölkerung in Katar ist extrem, aber auch bezeichnend für die anderen Staaten. Drei Million Einwohner hat Katar, davon nur 300.000 Kataris und der Rest vor allem aus Asien. Hier gibt es riesige Unterschiede was die wirtschaftliche Stellung angeht. In der unmittelbaren Nachbarschaft unseres ersten Standorts ist noch ein kleines Viertel Old Doha stehen geblieben. Flache einfache Häuser mit einer Stahltüre als Eingang in verwinkelte Gassen. Das was wir durch die halboffenen Türen sehen können, würden wir als Slum bezeichnen. Die Bewohner mit denen wir erstaunlicher Weise ins Gespräche kommen, sind alles Männer und alle aus Bangladesch. Das sind die Männer etwa für die Müllabfuhr, die am Bau arbeiten, oder an den Tankstellen die Zapfsäulen bedienen. Das andere Ende der Beschäftigung von asiatischen Gastarbeiten sehen wir am Azerbaidjani Beach. Indische Familien mit zwei oder drei Kindern, angereist im großen Toyota Geländewagen um den freien Tag am Strand zu verbringen. Angesichts dieser doch offensichtlichen Gegebenheit hat es uns verwundert, dass ein Mitglied der Herrscherfamilie in einem TV-Beitrag in einem Museum davon spricht, dass das Bruttosozialprodukt pro Kopf in Katar weltweit mit am höchsten wäre.
Auf dem Weg zur Grenze nach Saudi-Arabien machen wir noch einen Abstecher in die Wüste. Hier hat der amerikanische Künstler Richard Serra auf Einladung der Regierung vier unbehandelte Stahlplatten, hergestellt in Deutschland, in den Wüstensand gestellt. Der jeweilige Abstand zwischen den Platten beträgt einen Kilometer, und die Platten stehen auf einer Ost-West-Achse. Die rechteckigen Platten sind zwischen 14 und 16 Meter hoch, 10 cm dick, innen hohl und mittlerweile von ihrem ursprünglichen Grauton rostig braun geworden. Dieser Prozess ist Teil der Kunst. Das Kunstwerk heißt dann auch „East-West/West-East“. Wir haben den Sinn der Skulptur nicht verstanden und auch keine aufschlussreiche Erklärung im Internet gefunden. Nichts desto trotz ist es imposant und spannend, welchen Einfluss diese Platten auf die Betrachtung der Landschaft hat.
Was man mit Geld alles machen kann!