Mountainbike-Tour Pamir
Mountainbike Durchquerung des Pamir Gebirges im August 2019 über den Wakhan Korridor
Organisierte Mountainbike-Tour Tadschikistan/Kirgistan durch Epic-Trail
Autor: Joachim
Es umfängt uns die warme und trockene Nachtluft einer Stadt die in der Wüste liegt. Duschanbe, die Hauptstadt Tadschikistans. Zusammen mit Purdil und Mamadnazir verstauen wir das Gepäck im und auf dem Land Cruiser. Eine Stunde zuvor an der Gepäckausgabe im Flughafen werden zuerst unsere Mountain Bikes in ihren Schachteln ausgeliefert, dann unsere Taschen. Dann nur noch das gesamte Gepäck durchleuchten und den Ankunftsbereich verlassen. In der verschlafen da liegenden Stadt sind wir schnell im Hotel und fallen erschöpft im Morgengrauen ins Bett.
Ein spätes Frühstück macht uns fit für den Stadtrundgang. Allerdings hat Duschanbe wenig Touristisches zu bieten, außer dem Markt und die Sommerhitze des August macht auch nicht allzu große Lust jeden Winkel der Stadt zu erkunden.
Die folgenden zwei Tage fahren wir beide, zusammen mit Mamadnazir, unserem Fahrer, und Purdil unserem Tourguide stets entlang des Panj Flusses immer tiefer hinein in den Pamir. Am ersten Tag stellt sich schnell heraus, dass wir zum Mittagessen improvisieren müssen. Heute ist Id al-adha, das islamische Opferfest und alle Restaurants am Wegesrand sind geschlossen. Die Familien feiern den Tag zusammen. Wir haben Glück, denn die Cousine von Mamadnazir lädt uns zu sich nach Hause ein und wir werden köstlich versorgt.
Am zweiten Tag gegen Nachmittag erreichen wir Khorog. Auf der Straße vor dem Hotel holen wir die Fahrräder aus ihren Schachteln, bauen alles zusammen und freuen uns auf ein schönes gemeinsames Abendessen. Was wir noch nicht wissen, kulinarisch wird das für den Rest der Reise der Höhepunkt bleiben.
Am nächsten Morgen schlendern wir noch über den Bazar, Purdil kauft noch letzten Proviant ein. Während die beiden alles im Land Cruiser verstauen, hält uns nichts mehr, wir steigen auf die Bikes und radeln los. Leicht bergauf erreichen wir nach ein paar Kilometern einen tollen Aussichtspunkt auf den Zusammenfluss der beiden Flüsse Panj und Gunt. Dem Panj, der gleichzeitig die Grenze zu Afghanistan markiert, folgen wir nun die nächsten Tage. Zur Mittagszeit erreichen wir unseren ersten Picknick Platz. Lauschig unter Bäumen gelegen. Dort haben Purdil und Mamadnazir bereits einen Tisch gedeckt, der keinen Wunsch offen lasst. Das wird auch bis zum Ende der Tour so bleiben.
Am zweiten Radl Tag gegen Nachmittag erreichen wir Ishkashim, am Eingang zum Wakhan Korridor. Nachts wird es jetzt kühler und so können wir am folgenden Tag morgens bei herrlichem Bike Wetter starten. Die Strecke abwechselnd zwischen Asphalt und Schotter. Entlang des Flusses wird viel Landwirtschaft betrieben. Getreide für das leckere Brot und Heu für das Vieh im Winter.
Die Kinder, die jetzt Schulferien haben und an der kaum befahrenen Straße spielen, wollen alle im Fahren von uns abgeklatscht werden. Ein riesiger Spaß für alle, der mit viel Lachen quittiert wird. Vor dem Mittags Picknick besichtigen wir noch die Reste der Lehm Burg Kahka. Es gibt recht wenig zu sehen. Die Lage an sich ist das was beeindruckt. Was uns wesentlich mehr beindruckt sind die nach Süden hin immer grandioseren Ausblicke auf den Hindukusch mit seinen vergletscherten Eisriesen. Am Fuße der Berge auf afghanischer Seite ebenfalls Landwirtschaft und Menschen die ihre Arbeit auf den Feldern unterbrechen und uns zurufen und winken, sobald sie uns sehen. Wir sind mitunter keine 50 Meter voneinander getrennt. Für die 72 km der heutigen Tagesetappe mit 1.100 Höhenmetern brauchen wir dann aber doch fast den ganzen Tag, obwohl uns ein heftiger Rückenwind mitunter die leichten Steigung nach oben trägt. Die Auffahrt zu unserer Übernachtung im Homestay in einem Pamirhaus, legen wir im Land Cruiser zurück und nicht mit den Bikes. Die 300 Höhenmeter schenken wir uns, zumal Mamadnazir den Allrad benötigt auf der steilen Piste. Angekommen werden wir mit Tee, Gebäck und Süßigkeiten versorgt. Vor allem der Blick ins Tal und auf den Hindukusch lässt uns bis kurz vor Sonnenuntergang auf der Terrasse sitzen und genießen.
Die folgende Tagesetappe mit nur noch 40 km, radeln wir auf immer schlechter werdender Piste nur bis nach Hissor, dem Tor hinauf in den Pamir. Die Piste mit tiefem Sand, Wellblech und an den Steigungen mitunter ein ausgewaschenes Bachbett, fordert alle Aufmerksamkeit, sodass wir oft halten. Den Blick schweifen lassen, die Kamera zücken und einfach auch die Stille genießen.
Einige Kilometer vor unserem Tagesziel zieht eine riesige Gewitterfront über den Hindukusch in unsere Richtung. Innerhalb von wenigen Minuten bricht ein veritabler Sturm los. Ein Windböe wirft Anke um und sie stürzt. Nichts passiert, außer in paar Abschürfungen. Wir schaffen es gerade noch in ein Dorf bevor der Sandsturm richtig losbricht. An ein weiter radeln ist nicht mal im Ansatz zu denken. Wir müssen erneut die Räder in den Land Cruiser packen. Zum Sonnenuntergang lässt der Wind nach und schläft ganz ein. Wir sitzen aber schon vor der Unterkunft und genießen nach ein paar Tagen wieder ein bisschen Luxus: Ein kaltes Bier und ein paar Chips. Welch ein Kontrast. Wie alle Unterkünfte ist auch diese recht einfach und so bekommen wir heute Abend wieder einen Teller Shurbo serviert. Der allerdings sehr gut schmeckte durch viele frische Kräuter, was hier im Pamir sehr selten ist. Um das nächste Tagesziel auch sicher zu erreichen, lassen wir uns die ersten 7 Kilometer und 400 Höhenmeter auf das Dach des Pamir shutteln. Bei 3.300 Meter Meereshöhe holen wir die Bikes aus dem Land Cruiser. Die Vorderräder und die Sättel sind schnell montiert. Wir sind zum wiederholten Male sprachlos, ob der gewaltigen Natur und der Einsamkeit auf dem Plateau. Der Panj Fluss der uns bisher begleitet hat, liegt nun tief unten im Tal. Hier oben lebt kein Mensch mehr. Die Umstände sind zu lebensfeindlich. Die Höhe, kein Wasser, bitterkalte Winter und Hitze im Sommer. Wir aber können in kurzen Hosen und Trikot radeln.
An einer Biegung der Piste machen wir ein zweites Frühstück da es heute sehr früh los ging. Die Gebirgspiste wird langsam aber stetig immer schwieriger zu befahren. Sand und Geröll, dazwischen auch immer wieder Abschnitte mit Wellblech. Am späten Nachmittag treffen wir auf einen schwer bepacken Radler aus der Gegenrichtung, der mit der Piste sehr zu kämpfen hat. Deshalb hat er auch keine Energie die Kamele die hier auf tadschikischer und afghanischer Seite grasen zu beobachten. Laut Purdil bekommt man die Tiere ganz selten so nahe zu sehen. Wir können uns bis auf 30 Meter den riesigen Tieren nähern, bevor sie mit gefletschten Zähnen einfach weglaufen. Sie mögen unsere Annäherung nicht wirklich. Wie die Hirten das machen?
Noch 10 Km bis ins heutige und erste Campinglager. Wir brauchen auf der üblen Piste über eine Stunde und sind dann froh das große Zelt und den Land Cruiser auf einer grünen Wiese am flachen und kaum noch 5 Meter breiten Panj zu erreichen. Mittlerweile windet es heftig und so fällt die Dusche, im für uns aufgebauten Duschzelt, kurz aus. Heute kochen wir selbst. Spaghetti, Tomatensoße und einen leckeren Käse oben drauf. Nach Sonnenuntergang wird es schnell kalt. Es bleibt nicht viel Zeit und Muße den grandiosen Sternenhimmel zu bewundern. Von daher geht es ins Zelt und wir ziehen die Schlafsäcke bis oben zu.
Leider hat sich der Wind über Nacht nicht gelegt. Laut unserem Guide völlig ungewöhnlich. Auf jeden Fall scheint die Sonne, ein kräftiges Frühstück und wir nehmen die Auffahrt zum 4.344 Meter hohen Kargush Pass in Angriff. Auf den ersten Kilometern müssen wir mitunter die Bikes durch die sandigen Passagen schieben. Einfach nicht fahrbar, die Reifen sinken zu tief ein.
Am Vormittag bewölkt sich der Himmel zusehendes, der Wind bleibt und so wird die Auffahrt zur Passhöhe eine echte Herausforderung, obwohl wir mittlerweile gut an die Höhe angepasst sind. Die Passhöhe selbst wenig spektakulär.
Danach geht es mit schöner Neigung den Pass wieder hinunter. Hier macht es mit dem Fully richtig Spaß. Der Land Cruiser kann für ein paar Kilometer nicht folgen. Erst am Fuß des Passes mit den Sandpassagen ist er wieder da. Unser heutiger Zeltplatz direkt am Yashikul See auf 3.700 Meter Meereshöhe liegt wunderschön in einer Bucht. Leider stürmt es wie verrückt. Wir brauchen 45 Minuten bis wir das große Zelt zum Kochen und Essen endlich aufgebaut und gesichert haben. Am nächsten Morgen liegt der See windstill, mit spiegelglatter Oberfläche vor uns. Was für ein Kontrast zu gestern. Wir genießen ein schönes Frühstück in der Sonne.
Verpacken dann, wie geplant die Fahrräder, zurren sie auf dem Dach in ihren Schachteln fest und fahren 300 km auf dem Pamir Highway der nach Norden führt über Murghab an den Karakul See. Die Landschaft zieht an uns vorbei. Vom Auto aus durch die Fensterscheiben nehmen wir die Landschaft ganz anders wahr. Allerdings ist die Landschaft, durch die wir fahren, wenig spektakulär und die riesigen Schlaglöcher zwingen auch uns Mitfahrer zur Aufmerksamkeit. Der Asphalt stammt noch aus der Sovietzeit, wobei er sich dafür gut gehalten hat. Hier wird offensichtlich, dass der Pamir Highway als Militärstraße gebaut wurde. Gegen Nachmittag treffen wir in Karakul ein. Wohnen für eine Nacht in einem Homestay. Sehr einfach, alles sauber, Plumpsklo im Hof. Im Winter würden hier auf 4.000 Meter alle Leitungen einfrieren. Auch die Familie zieht dann ins Tiefland. Beim Eintreffen wird in unserm Zimmer der eiserne Ofen gleich mit Jak Dung geheizt. Überraschend wie schnell und gut der Dung brennt und eine angenehme Wärme ausstrahlt. Heute haben wir die Chance die Banja zu nutzen. Eine Art Sauna mit reichlich heißem Wasser zum sich übergießen. Wir stehen, sitzen in dem kleinen gekachelten Raum und freuen uns an der uns umgebenden Hitze und Luftfeuchte. Was ein Kontrast zur Kälte und Trockenheit, die diesen Ort kennzeichnet.
Ein reichhaltiges Frühstück am nächsten Morgen, mit leckerem Brot und Honig, dazu Spiegeleier und Joghurt vom Yak, stärkt uns für die anstehende Königsetappe hinüber nach Kirgistan. Windgeschützt bauen wir die Räder ein letztes Mal zusammen und sind gegen 9:00 auf dem Rad. Auf Asphalt rollt es sich einfach leichter. Gut, denn die Landschaft ist wieder atemberaubend. Zur Linken liegt der Karakulsee und blinkt in allen Farben Blau. Vor aus erhebt sich der Koksukurbashi Gletscher der auf 6.000 Metern Höhe seinen Weg ins Tal beginnt. Rund um uns herum weitere 5.000er Gipfel. Darüber spannt sich ein tiefblauer Himmel.
Da auch im Sommer die Temperaturen nachts unter null fallen, sind wir froh warme Radbekleidung eingepackt zu haben. Leider keine langen Handschuhe. Die kleinen Bäche die in den See münden sind noch alle zugefroren. Je weiter wir nach Norden fahren desto mehr wird aus der leichten Steigung eine veritable Pass Straße. Wie in den Tagen davor nimmt der Wind auch wieder Anlauf. Wir kommen auf der Steigung im Gegenwind nicht über einen 8km/h Schnitt hinaus. Als sich am Horizont auch noch Niederschlag ankündigt beschließen wir unser Radabenteuer an einer einigermaßen windgeschützten Stelle zu beenden und die restlichen 50 Km hinüber nach Kirgistan mit dem Land Cruiser zu fahren. Der Grenzübertritt geht einigermaßen zügig von statten, sodass wir nach gut einer Stunde durch sind. Direkt nach der Grenze ändert sich die Landschaft. Es wird grün und grüner je weiter wir ins Tal fahren. Als wir die Ebene erreichen, sind die Grasweiden mit hunderten, wenn nicht gar tausenden von Schafen und Ziegen bevölkert. Dazwischen Herden mit Jaks, die von Hirten auf kleinen drahtigen Pferden gehütet werden. Am frühen Nachmittag kommen wir in Sary Tash an, der ersten größeren Siedlung in Kirgistan. Auf den ersten Blick fällt das Wohlstandsniveau auf. Kirgistan ist deutlich, wenn auch auf niedrigem Niveau, wohlhabender. Die Häuser sind größer, machen einen gepflegten Eindruck und die Autos die davor parken, zeugen von etwas Wohlstand. Kein Vergleich mit Tadschikistan. Im Homestay angekommen, werden wir mit russischem Sekt empfangen, um die Durchquerung des Pamir auch gebührend zu feiern. Daneben freuen wir uns aber auch auf die heiße Dusche nach etlichen Tagen draußen im Pamir.
Zum Abschluss unserer Reise fahren wir für eine Nacht zum Pik Lenin. Der höchste Berg in der gewaltigen Gebirgskette des Trans-Alai. Angekommen beziehen wir ein Jurte und nehmen zu Fuß den Pfad hinauf zum Base Camp. Etwas überrascht über die zahlreichen Zelte, die hier auf die Bergsteiger warten. Wir setzen uns auf einen kleinen Hügel mit faszinierendem Blick auf den Gletscher und den sich daraus erhebenden Gipfel mit 7.134 Metern. Ein toller Platz um die Erlebnisse der letzten zwei Wochen wenigstens einigermaßen einordnen zu können. Denn der Pamir prägt. Sowohl seine Bewohner, als auch diejenigen die nur für eine recht kurze Zeit hier sind.